Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des BND-Gesetzes

Eine Stellungnahme des GKND


Die folgende Fassung des Papers enthält keine Fußnoten. Die vollständige Fassung können Sie über das PDF abrufen

Dr. Hans-Dieter Herrmann, Vorsitzender des Vorstandes

Am 22. Februar 2021 fand die öffentliche Anhörung des Bundestagsausschusses für Inneres und Heimat zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BND-Gesetz statt.

Insgesamt neun juristische Sachverständige waren im Vorfeld um schriftliche Stellungnahmen gebeten worden, auf die in der Anhörung rekurriert werden sollte. Zuvor war bereits der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Professor Kelber, zu Rate gezogen worden, ebenso wie im Rahmen seiner allgemeinen Mitprüfungszuständigkeit der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung.

Vorbehaltlich einer umfassenderen Analyse auf der Grundlage der schriftlichen Stellungnahmen, erscheint es aus Sicht des GKND sinnvoll und auch geboten, zu einigen Kernaussagen aus der mündlichen Anhörung in Kürze Stellung zu nehmen.

  1. Die allseits geäußerte und bekräftigte Notwendigkeit einer in der kommenden Legislaturperiode anzugehenden umfassenden gesetzgeberischen Gestaltung des Nachrichtendienstrechts der Bundesrepublik Deutschland und damit die Überwindung eines historisch gewachsenen regulatorischen Flickenteppichs kann nur nachdrücklich begrüßt werden. Ein maßgeblicher Ausgangspunkt hierfür wird allerdings eine ebenfalls grundlegende Diskussion der inneren und äußeren Rahmenbedingungen für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland im 21. Jahrhundert sein müssen, mit der ein notwendiger Referenzrahmen für die Ausgestaltung von politischer und rechtlicher Mandatierung sowie der jeweils erforderlichen Befähigungen der Dienste zur Auftragserfüllung geschaffen werden muss.

  2. Die Qualifizierung des vorliegenden Gesetzentwurfs als auf jeden Fall bestandskräftig, wenn nicht maßstabsgebend im internationalen Vergleich, mag erfreuen. Mindestens ebenso bedeutsam wird allerdings ein nüchterner und faktenbasierter Vergleich der dem Dienst nunmehr in Zukunft zur Verfügung stehenden operativen, analytischen und kooperativen Leistungsparameter mit jenen der relevanten Partnerdienste und Kooperationspartner sein. Dies kann im vorliegenden Rahmen allein schon aus Geheimschutzgründen nicht geleistet werden. Der GKND hofft, dass diese Fragestellung mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit im Dialog mit BND und BKAmt in den dafür vorgesehenen parlamentarischen Gremien erörtert wird, und verweist in diesem Zusammenhang nochmals auf seine bereits im Dezember 2020 vorgelegten Fragen.

  3. Gleiches gilt für die Beantwortung der dankenswerterweise gestellten essentiellen Frage nach den Auswirkungen des Gesetzes auf die künftige Leistungs- und Kooperationsfähigkeit des Dienstes. Im Rahmen einer öffentlichen Anhörung zu juristischen Dimensionen des Gesetzentwurfs bleibt letztlich nur der Rekurs auf die vom BVerfG auch so vorgegebenen grundsätzlich niederschwelligen Eingriffsvoraussetzungen einer anlasslosen Datenerhebung und eine optimistische Bewertung der vom Dienst bisher im Rahmen der G10-Erfassung an den Tag gelegten Routinen, die es diesem erlauben sollten, bei angemessener personeller Ausstattung nun auch den konzedierten erheblich erhöhten bürokratischen Aufwand in diesem Bereich bewältigen zu können. Dies, wie auch der Hinweis auf die Notwendigkeit, alsbald rasch in eine intensive und ergebnisorientierte Zusammenarbeit mit dem Unabhängigen Kontrollrat (UKr) zu treten, kann natürlich der Fragestellung nur ausschnittsweise gerecht werden. Die operativen Parameter, die hier über Erfolg oder Misserfolg in der Praxis entscheiden, sind in den oben erwähnten Fragen des GKND angedeutet worden, und sollten im geeigneten Rahmen Gegenstand eingehender fachlicher Erörterung sein, um die absehbaren Konsequenzen des Gesetzes in angemessener Weise bewerten und wo immer nötig und möglich Optimierungsbedarf realisieren zu können.

  4. Dem Erfordernis einer fachlichen Bewertung der Tragfähigkeit und Operabilität wesentlicher, verfassungsrechtlich durchaus kontrovers bewerteter Regelungsbereiche wie dem Schutz der Vertraulichkeitsbeziehungen (§§ 21 ff.), der nationalen und insbesondere der internationalen Übermittlungsvorschriften (§§ 29 f.), der Zulässigkeit von Eignungsprüfungen gem. § 26 und der Nutzung ihrer Ergebnisse konnten die rein juristischen Aussagen naheliegenderweise ebenfalls nicht entsprechen. Auch hier kann nur eindringlich auf die Notwendigkeit einer vertieften Erörterung und Güterabwägung in den zuständigen Gremien des Bundestages hingewiesen werden.

  5. Das quasi einhellige, verfahrens- wie verfassungsrechtlich zwingend begründete Votum der Sachverständigen für eine deutliche Modifizierung der personellen Zusammensetzung des UKr unter Berücksichtigung spezifischer verwaltungs- ggf. auch datenschutzrechtlicher Expertise kann seitens des GKND nur begrüßt und unterstützt werden: Entscheidend für die Validität der neuen Kontrollstrukturen ist neben deren Unabhängigkeit gerade ihre spezifische Fachkompetenz und Befähigung zum raschen, operativ sachgerechten  und rechtlich belastbaren Urteil in fluiden und komplexen Situationen.

  6. Der klaren, auch vom BVerfG aus gutem Grund (Third Party Rule) gezogenen Trennungslinie zwischen exekutivem (UKr) und parlamentarischem (PKGr) Raum kann in Übereinstimmung mit der Mehrheit der juristischen Sachverständigen auch aus fachlicher Sicht unverändert nur beigepflichtet werden. In gleicher Weise gilt dies auch für den BfDI in seiner Pflichtenstellung gegenüber Öffentlichkeit und Parlament, wenngleich personelle Expertise aus diesem Bereich, allerdings unter der Voraussetzung einer Aufgabe der bisherigen Zugehörigkeit, die Aufgabenerfüllung des UKr sicherlich maßgeblich unterstützen könnte.

  7. Aus fachlicher Sicht würde wiederum ebenfalls prima facie wenig gegen eine parlamentarische Legitimierung der Verfahrensordnung des UKr sprechen, wohl aber gegen eine Berichtspflicht im Detail an das PKGr. Hierbei würden die Grenzen zwischen exekutiver, objektivrechtlicher administrativer und gerichtsähnlicher Kontrolle und ihrem parlamentarisch-politischen Gegenstück verwischt, so dass das Kernstück des „Trennungsgebots“ zur Wahrung der Third Party Rule und damit ein wesentliches Element internationaler Kooperationsfähigkeit in Frage gestellt würde.

  8. Den von kritischer Seite geäußerten grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die kurzfristige Einführung von „Hack-Back“ und „Computer Network Exploitation“ in den Gesetzentwurf wird wiederum aus fachlicher Perspektive ebenso grundsätzlich entgegenzuhalten sein, dass diese technisch-operativen Befähigungen zur Ermöglichung einer wirksamen Auslandsaufklärung dringlich erforderlich sind. Dass hier gegebenenfalls in der rechtlichen Ausgestaltung nachzubessern sein wird, sollte am Grundsachverhalt indes nichts ändern. Auch hier kann nur eine detaillierte Erörterung in den Gremien weiter führen.

Die Anhörung der Sachverständigen hat bereits wesentliche Aspekte zu Tage gefördert, die aus mehrheitlich übereinstimmender juristischer Perspektive im Interesse einer tragfähigen gesetzlichen Grundlage für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes nachgebessert werden sollten und dies wohl auch innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit könnten.

Aus Sicht des GKND wäre es sehr zu begrüßen, wenn darüber hinaus die Einsicht in die Notwendigkeit der Schaffung eines grundsätzlichen, sicherheitspolitisch wie verfassungsrechtlich fundierten Rechts- und Ordnungsrahmens für die Nachrichtendienste des Bundes auch über das Wahljahr hinweg in der nächsten Legislaturperiode Bestand haben sollte und von Bundesregierung wie Bundestag frühzeitig im Dialog mit Diensten, Wissenschaft und Politikberatung in Angriff genommen werden würde.


Dr. Hans-Dieter Herrmann

Vorsitzender

 
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