Nachrichtendienste in der Zeitenwende - Fit for purpose?
Vortrag von Herrn MdB (CDU) Kiesewetter auf der ND-Konferenz des Behördenspiegels am 21.06.2023
Die folgende Fassung des Papers enthält keine Fußnoten. Die vollständige Fassung können Sie über das PDF abrufen
Im Rahmen der diesjährigen Nachrichtendienst-Konferenz des Behördenspiegels in Berlin (19.-20. Juni 2023) hielt Herr Roderich Kiesewetter (MdB CDU), stellvertretender Vorsitzender des PKGr und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, einen Vortrag zum Thema “Nachrichtendienste in der Zeitenwende – Fit for purpose?“.
Aufgrund der grundsätzlichen, über den Tag hinausweisenden Bedeutung der Ausführungen stellt der GKND diese mit freundlicher Genehmigung des Autors in redaktionell leicht überarbeiteter Fassung nachstehend als Hintergrundinformation einem größeren Kreis zu Verfügung.
Aus einer geostrategischen Lagebeurteilung und einer dezidierten Analyse der aktuellen und absehbar bestehenden militärischen wie nachrichtendienstlichen Bedrohungslage werden Schlussfolgerungen für die mittel- bis langfristigen sicherheitspolitischen Schwerpunktsetzungen Deutschlands gezogen. Im Vordergrund stehen hier zunächst die von Deutschland im ureigensten Interesse zu erwartenden grundlegenden sicherheitspolitischen Orientierungen, Loyalitäten und konkreten Maßnahmen im heraufziehenden Systemwettbewerb, oder besser Systemkonflikt zwischen den Großmächten.
In diesem Kontext wird dann auch die Frage gestellt und beantwortet, ob die deutschen Dienste den absehbaren Herausforderungen bereits gewachsen sein könnten, oder ob von politischer Seite erforderliche Maßnahmen zur Ertüchtigung der in der Nationalen Sicherheitsstrategie propagierten „Wehrhaftigkeit und Resilienz“ im Bereich der Nachrichtendienste ins Auge gefasst worden seien. MdB Kiesewetter endet hier mit einer ernüchternden Bilanz und eindringlichen Mahnung an Politik, Gesellschaft und Dienste, den Blick nicht vor den Gefahren der Zukunft zu verschließen.
Der GKND kann diesem wichtigen sicherheitspolitischen Beitrag nur weite Verbreitung und Rezeption wünschen.
Für den Vorstand
Dr. Gerhard Conrad
Vortragsmanuskript (redaktionell überarbeitet und freigegeben)
Lieber Herr Proll, Danke für die Ehre, heute bei der ND-Konferenz des Behördenspiegel sprechen zu können.
Sie haben mit diesjährigen Thema "Hybride Krisenlage“ den richtigen Schwerpunkt gesetzt, denn 2023 ist ein entscheidendes Jahr für die Ukraine im Verteidigungskampf gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands, und für Deutschland als Ziel eines hybriden Krieges, der auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln geführt wird.
Ich bin deshalb auch hier, um einen kleinen Blick nicht nur aus Sicht des stellvertretenden Vorsitzenden des PKGr zu geben, sondern auch als Sicherheitspolitiker, denn wir erleben nicht nur eine hybride Krisenlage, sondern auch einen hybriden Krieg. Sie werden bestimmt Verständnis dafür haben, dass ich aus PKGr-Sicht sehr zurückhaltend sein muss, denn das PKGr tagt stets geheim, die dort besprochenen Inhalte sind geheim, ja selbst Tag, Uhrzeit und Ort werden geheim gehalten. Für alle, die mit dem Begriff PKGr noch nicht vertraut sein sollten, sei ergänzt, dass es sich hierbei um das Parlamentarische Gremium handelt, dem die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes obliegt.
Wir alle – dies ist uns spätestens nach dem 24.Februar 2022 deutlich geworden – leben in einer Zeit des Systemwettbewerb und des Konflikts zwischen regelbasierten Staaten und Autokratien/Diktaturen.
Welche Bedeutung dieser Konflikt hat und insbesondere auch noch haben wird, zeigt hier ein Bonmot von Verfassungsschutzpräsident Haldenwang bei er öffentlichen Anhörung durch das PKGr im Oktober 2022:
„Russland ist der Sturm, China aber ist der Klimawandel“.
Wie Autokratien und Diktaturen bei der Durchsetzung ihrer Interessen vorgehen, lässt sich an Russland sehen: Nahezu jedes Mittel ist recht, jede mögliche erkannte Schwäche wird genutzt. Die Bedrohungen sind nur teilweise neu, sie werden jetzt aber erst ins Bewusstsein gerückt.
China geht im Rahmen seiner belt and road-Initiative ähnlich vor, allerdings noch nicht durch den Einsatz militärischer Macht im offenen Krieg. Im Vordergrund steht die Nutzung von Smart Power, mit dem Ziel, Abhängigkeiten zu schaffen. Wir müssen uns darauf einstellen, dass der Systemkonflikt mit China kommen wird. Er stellt allein schon aufgrund der China zur Verfügung stehenden Potentiale die größte Bedrohung dar; unabhängig wie Russland nach Ende des Krieges in der Ukraine aussehen wird.
Der russische Angriffskrieg in Europa ist so nur der Beginn eines globalen Systemwettbewerbs zwischen regelbasierten Staaten und Diktaturen/Autokratien unter chinesischer Führung. Aktuell wird Russland u.a. von China, Iran und nun auch Nordkorea unterstützt. Damit werden Konturen einer globalen Blockbildung als Ausfluss eines neuen Systemkonflikts bereits deutlicher erkennbar. Etliche Staaten insbesondere in Afrika, aber auch in Asien und Lateinamerika sind in ihrer Parteinahme noch unentschlossen, u.a. da durch geopolitische und geoökonomische Realitäten und Abhängigkeiten geprägt!
Damit ist Europa zum Testfeld für viele Strategien und Taktiken militärischer und hybrider Kriegsführung geworden. Getestet werden hier die Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit von Sanktionen, die Stärker und Geschlossenheit regelbasierter Staaten und ihre Glaubwürdigkeit. Zugleich nutzt die massive Auseinandersetzung Russlands mit dem Westen der Volksrepublik China, denn der Krieg führt auch zu dessen strategischer Abnutzung des Westens, militärisch, wirtschaftlich, moralisch durch Kriegsmüdigkeit, sozioökonomischem Migrationsdruck, Zersetzungstendenzen in der Gesellschaft, gefördert durch Maßnahmen der hybriden Kriegsführung.
Zugleich ist auch eine massive Aufrüstung auch bei CHN ersichtlich. Medienberichte über ehemalige britische und deutsche Kampfflugzeugpiloten, die von China angeheuert werden, um westl. Kriegstaktiken zu begreifen sprechen eine klare Sprache: Hier soll Wissen/Know How zu eigenen militärischen Ertüchtigung für mögliche Konfrontationen mit westlichen Kräften im Indo-Pazifik, vielleicht auch darüber hinaus, eingekauft werden. Auch das kann als Teil hybrider Kriegsführung angesehen werden.
Der Konflikt hat im globalen Maßstab, aber auch in Europa, zu vielfältigen Disruptionen geführt. Nicht zuletzt wird nach 70 Jahren wieder ein großer Krieg in Europa geführt, und dies von einer Nuklearmacht.
Für Deutschland haben sich hieraus vielfältige Disruptionen ergeben: Das gewachsene System der vielfältigen Abhängigkeiten ist grundlegend erschüttert worden, insbesondere die drei Dimensionen „Billige Energie aus Russland, billige Wertschöpfungsketten aus China und billige Sicherheit aus den USA“ haben so keinen Bestand mehr. Zugleich haben diese Abhängigkeiten auch zur Involvierung von drei Cyber-Weltmächten in die europäische/deutsche Sicherheitsstrukturen geführt.
Weit über das Kriegsgeschehen hinaus zeichnen sich Disruptionen von grundlegender Bedeutung auch für Deutschland ab: Unsere sozio-ökonomische Zukunft wird absehbar durch Überalterung der Gesellschaft, Fachkräftemangel, Wirtschaftsabschwung bei gleichzeitigen Krisen und Ressourcenengpässen geprägt werden. Transformationen sind hier und heute ebenso zwingend erforderlich wie eine Neudefinition von Wohlstand.
1) Was also lernen wir aus dem russischen Vorgehen?
Nukleare Abschreckung wirkt
Sie wird jedoch ggf. ergänzt werden müssen im Hinblick auf die neuen Technologien, die z.B. Nuklearwaffen „ersetzen“ etwa im Weltraum, Hochleistungslaserwaffen, disruptive Technologien.
Verteidigungsbündnisse und angemessene militärische Bewaffnung sind handlungsund entscheidungsrelevant
Nachrichtendienste müssen sich daher darauf einstellen, künftig wieder mehr und intensiver militärische Aufklärung zu leisten, neue Befähigungen zu identifizieren und neue Technologien / Taktiken im Cyberraum zu erfassen und zu verstehen.
Für Nachrichtendienste stellt sich Frage nach einer verstärkten Zusammenarbeit mit Partnerdiensten.
Politisch bedeutet dies in Deutschland, dass die Weichen für eine Kooperation der deutschen Nachrichtendienste entsprechend gestellt werden müssen: Fähigkeiten und Interoperabilität müssen geschaffen, Fähigkeitslücken geschlossen und gesetzliche Regelungen verändert werden, die dem entgegenstehen.
Autokratien und Diktaturen verwenden Hard und Smart Power
Die hybride Kriegsführung Russlands umfasst den Cyberraum, Desinformation, Sabotage an kritischer Infrastruktur (KRITIS), auch weltweit oder im All an strategischen Verbindungslinien/Knotenpunkten.
Der massive Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln intensiviert russische Spionage in vielen sicherheitsrelevanten Bereichen, insbesondere durch den Auslandsnachrichtendienst SWR. Russland nutzt nachrichtendienstliche Methoden zum massiven subversiven Einsatz, zur Beeinflussung, Erpressung, Platzierung von Agenten an neuralgischen Punkten (z.B. mittels gefälschter Identitäten und Visa), die jahrelang unbemerkt leben, arbeiten und aufklären. Russische Geheimdienste werden auch zu Morden (Litwinienko, Skripal, Tiergartenmord) im europäischen Ausland eingesetzt.
Für die westlichen Nachrichtendienste. Und gerade auch für die deutschen Dienste bedeutet dies zwingend einen adäquaten Fähigkeitsausbau zur frühzeitigen Detektion, Identifizierung und Abwehr der gestiegenen Bedrohung.
Entgrenzung des Krieges – und Entgrenzung der Kriegsführung
Russland nutzt Energie, Migration, Hunger und Desinformation als Waffe gegen die regelbasierte Ordnung.
Unsere Sicherheit ist damit in allen, auch nichtmilitärischen Dimensionen betroffen.
Entgrenzungen sehen wir auch in vielen Phänomenbereichen. Linke/Rechte werden ideologiefrei gleichermaßen durch Russland instrumentalisiert; Querdenker von Corona zu Russland-Fanboys andere Bereiche wie z.B. legalistischer Islamismus oder linksextreme Rote Hilfe. Im Vordergrund steht überall die Schwächung des Gegners, mit welchen Mitteln auch immer.
Russland kompensiert Nachteile durch Sanktionen mit massiver Cyber-Erpressung (Ransomwareperationen), Geldwäsche und Einsatz von Krypto-Währung (Russland der zweitgrößte Hotspot für Krypto-Mining; auch eine Krypto-Börse wird geplant, bisher aber noch nicht umgesetzt.
Rückkehr zur Geopolitik
So wie Russland geopolitische Interessen, Revisions- und Expansionsinteressen in Europa hat, und damit den eigenen Einfluss vergrößern will; geht China im Indo-Pazifik, darüber hinaus auch in Afrika vor.
Früher oder später drohen Chinas Angriff auf Taiwan und eine darüber hinausgehende kriegerische Eskalation im Indo-Pazifik, sofern sich nicht ein politischer Paradigmenwechsel in China abzeichnet. Hierfür gibt es jedoch keinen ausreichenden Anhaltspunkt.
Für Deutschland und die Europäische Union bedeutet das, dass die USA in jedem Fall erhebliche nationale, auch militärische Kapazitäten benötigt, um sich im Indo-Pazifik in unser aller Interesse zu behaupten, auch mit neuen Kooperationsstrukturen wie dem Quad oder AUKUS.
Die Europäische Union muss folglich im eigenen Interesse USA entlasten und ihrerseits einen massiven Fokus auf Afrika und Nah-/Mittelost, also ihre „Southern Neighbourhood, legen. Die EU muss endlich eine faire Lastenteilung auch innerhalb NATO leisten und damit geostrategisch denken und handeln.
Der Systemwettbewerb ist nicht neu, doch der systemische Rivale China wird zur entscheidenden Herausforderung. Seine global ambitionierte, auf machtpolitische Abhängigkeiten abzielende Seidenstraßen-Politik steht gegen die Global Gateway-Initiative der EU.
Die regelbasierte Staatengemeinschaft muss sich ihrer Kapazitäten bewusst werden und sich stark aufstellen: SMART Power wird hier gefragt sein.
Welche politisch-operativen und strategischen Schlussfolgerungen ziehe ich aus dieser Lagefeststellung und Beurteilung?
Wir müssen uns auf einen Systemkonflikt mit China vorbereiten
Deutschland und die EU müssen SMART Power entwickeln (Sicherheitsfähigkeit, Abschreckung, Abbau Abhängigkeiten) Naivität hat keinen Platz mehr in Außen- und Sicherheitspolitik: Eine weiterentwickelte Nationale Sicherheitsstrategie wird klare Interessen und Prioritäten festlegen müssen, auch inklusive nachrichtendienstliche Kapazitäten und Aufgabenstellungen, Entwicklungspolitik und Rüstungsexporte müssen gezielt zur Unterstützung von Ländern mit gleichartigen Werten und Interessen eingesetzt werden.
Wir müssen eine adäquate strategische Kultur entwickeln und aus unseren Fehlern lernen: Sicherheit muss konsequent und umfassend verstanden und politisch handlungsleitend werden. Warnungen (USA, Baltische Staaten, Osteuropa) waren ignoriert worden, Russland-Romantik wie auch China-Romantik haben den Blick auf Realitäten verstellt, ebenso wie die Wunschvorstellung von Wandel durch Handel der allein Freunde und Partner schüfe. Einseitige Priorisierung sozialer Sicherheit in Verbindung mit einem Abbau essentieller militärischer Fähigkeiten und staatlicher wie gesellschaftlicher Resilienz.
Krisenprävention und Resilienzsteigerung müssen wieder gesellschaftliche und administrative Realitäten werden, u.a durch strategische Kommunikation und den Aufbau von militärischen und zivilen Reserven.
Abschreckung muss auch den Bereich der hybriden Bedrohungen abdecken, was nur mit einer entsprechenden Ertüchtigung der Nachrichtendienste möglich sein wird.
Substantielle Hard Power muss national und zusammen mit den Verbündeten geschaffen werden: Hierzu zählt eine erstarkte und einsatzbereite Bundeswehr, aber auch Nachrichtendienste, die auf die neuen Herausforderungen eingestellt sind.
Was bedeutet dies konkret für die Nachrichtendienste? Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die Dienste?
Nachrichtendienste müssen sich breiteren, vernetzten, hybriden Aufgaben in den Bereichen Cyber, Spionageabwehr, internationaler Finanzströme stellen. Sie benötigen hierzu neue Analysetools, aber auch die Sensibilisierung der Bevölkerung, z.B. durch regelmäßigen Veröffentlichungen von Lagebildern zu Bedrohungslagen durch den BND mit einem 360 Grad-Blick.
Zwischen Bund und Ländern muss die Zusammenarbeit intensiviert werden, ebenso wie – nach Maßgabe von Vertrauen und Zuverlässigkeit - mit internationalen Partnern,
Knappe Ressourcen müssen strategisch eingesetzt werden: Hier wird ein zentraler Technischer Nachrichtendienst anzustreben sein, der übergreifend für alle drei Dienste exklusive Fähigkeiten nutzt und Informationen direkt vernetzt weitergibt;
Fachkräftegewinnung muss zur Top-Priorität auch im budgetären Mitteleinsatz werden, angesichts zahlreicher offener/unbesetzter Stellen. Fachkräfte-/Ausbildungsfragen insbesondere bei Cyber und anderen Sonderqualifikationen müssen auch in Puncto Bezahlung und Arbeitsbedingungen im Wettbewerb mit Wirtschaft angegangen werden.
Den Diensten muss seitens der Regierung die Möglichkeit gegeben werden, mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit in ihrer Arbeit zu zeigen, um Verständnis und damit Resilienz der Bevölkerung zu steigern und strategische Kultur im Land zu stärken.
Ein Missverhältnis von Kontrolle und tatsächlicher Auftragsbearbeitung darf nicht entstehen und muss, wo bereits existent, gelöst werden: Die Ampel-Vorschläge einer „Überwachungsgesamtrechnung“ mit einer Ausdehnung der Kompetenzen des Unabhängigen Kontrollrates auch auf das BfV gehen in die falsche Richtung. Zwingend erforderlich ist vielmehr zunächst eine „Bedrohungsgesamtrechnung“, aus der die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen sind. Der „Schutz der Gesellschaft“ muss im Vordergrund stehen, nicht Datenschutz und „Kontrolle der Kontrolle der Kontrolle der Kontrolle“ (zu Tode kontrollieren).
FAZIT: Nachrichtendienste müssen wirksamer Teil von Smart Power und nicht zur Soft Power degradiert werden, zum Beispiel durch ein Missverhältnis zwischen Kontrolle und Befähigungen.
Ein Mitarbeiter sagt mir hier unlängst in diesem Zusammenhang:
„Aktuell ist der BND zu sehr Behörde, zu wenig Nachrichtendienst“.
Das, meine Damen und Herren, darf nicht sein! Verwaltung dient der Auftragserfüllung, sie ist nicht Selbstzweck.
Nationale Sicherheitsstrategie und Nachrichtendienste
Die neue Nationale Sicherheitsstrategie ist auch mit Blick auf die Nachrichtendienste und ihre Belange lesenswert.
Die Bundesregierung hat hier den hybriden Herausforderungen durchaus Rechnung getragen:
Integrierte Sicherheit: Abwehrkräfte gegen Desinformation und Resilienz unserer Demokratie stärken.
Cybersicherheit nimmt einen hohen Stellenwert ein; z.B. in der Lagebilderstellung durch das Nationale Cyberabwehrzentrum und die Stärkung der Abwehrkompetenzen.
In diesen Feldern sollen Nachrichtendienste einen Beitrag leisten, überwiegend im Bereich Früherkennung und Analyse. Die technische Ausstattung soll hierfür gestärkt werden.
Soweit so gut, doch werden die Dienste mit der aktuellen Nationalen Sicherheitsstrategie nun zur Smart Power oder bleiben sie weiterhin zur Soft Power degradiert?
Hier bleibt nun kritisch anzumerken:
Die Nachrichtendienste werden nicht als zur integrierten Sicherheit zugehörig gesehen; eine Qualifizierung der Dienste als wesentliches Element der Sicherheitsarchitektur, zusammen mit Diplomatie, Militär, Entwicklungszusammenarbeit, wird nicht vorgenommen.
Der Fokus in Bezug auf die Dienste liegt auf dem Feld der inneren Sicherheit; der BND wird nur in einem Ausnahmefall als Juniorpartner der Wissenschaft in der Bewertung sicherheitspolitischer Implikationen des Klimawandel erwähnt. Das Militärische Nachrichtenwesen wird überhaupt nicht erwähnt.
Eine Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern wird zwar erwähnt, nicht aber die erforderliche Stärkung der Bundeskompetenzen.
Die Dienste werden nur im Zusammenhang mit ihrer Analysefähigkeit erwähnt. Ohne Ertüchtigung der Befähigungen zur Informationsbeschaffung, auch im Bereich der Spionageabwehr und Gegenspionage wird es jedoch nicht gehen. Hier geht es in der Nationalen Sicherheitsstrategie nur um bestehende Ressourcen. Notwendige gesetzliche Grundlagen und neue Fähigkeiten und Tools werden nicht benannt.
Im Cyberbereich werden Abwehr, Abschreckung und Fähigkeiten durch Absage an Hackbacks und an eine zentrale Bundeskompetenz bei der Cyberabwehr geschwächt. Gerade bei Cyberabwehr braucht es jedoch eine massive Aufwertung der nachrichtendienstlichen Fähigkeiten und Kompetenzen. In der Bundeswehr haben wir Leute, die sagen – wir könnten, aber wir dürfen nicht. Ohne hochwirksame nachrichtendienstliche Fähigkeiten sind gemeinsame Cyber-Abschreckung und Aufklärung (Fernmelde- und Elektronische Aufklärung) nicht möglich.
Im Bereich der Geldwäsche wird die dringend notwendige Befähigung zur Beobachtung und Analyse internationaler Finanzströme nicht beachtet. Dabei ist hier das Petersberg-Communiqué der G7-Finanzminister sehr klar in seiner Kampfansage an Geldwäsche und Korruption. Beides ist Gift für regelbasierte Staaten und zugleich Treiber von Krieg und Konflikten.
Der BND als strategisches Instrument der Außenpolitik wird erst gar nicht benannt (Strategiebildung, Krisenprävention, Außenpolitik). Hier bleibt die Sicherheitsstrategie weit hinter dem Urteil des BVerfG vom 19. Mai 2020 zurück.
Eine fassbare finanzielle Priorisierung oder Zuweisung von Finanzmitteln fehlen ebenso wie eine angesichts von Demographie und globaler Herausforderung dringlicher Strategie zum Personalaufbau.
Auch als essentielles Mittel der strategischen Vorausschau finden die Nachrichtendienste keine Erwähnung.
All dies zeigt, dass die Nachrichtendienste immer noch eher soft Power bleiben. Ihnen werden keine robusten Fähigkeiten zugewiesen, die sie zur smart Power werden lassen würden.
Damit sind die deutschen Nachrichtendienste für neue Herausforderungen nicht gewappnet.
Zeitenwende beginnt im Mindset
Als Mitglied in der NATO und in der Europäischen Union steht Deutschland sicherheitspolitisch nicht allein. Dies ist Rückversicherung und Verpflichtung zugleich. Das Vertrauen in Deutschland und seine Zuverlässigkeit als Bündnispartner auf strategischer wie auf operativer Ebene ist eine essentielle Grundlage für den Rückhalt in der westlichen Staatengemeinschaft. Dies gilt auch und besonders im Bereich der Nachrichtendienste.
2023 ist für Deutschland ein Entscheidungsjahr für seine geostrategische Positionierung in Europa und der Welt – auch für unsere Wahrnehmung in der Staatengemeinschaft, die sehr gelitten hat – zuletzt bei der Unterstützung der Ukraine, wo Deutschland als Bremsklotz wahrgenommen wird.
Wichtiger denn je für uns in Deutschland und für die Europäische Union ist der Ausgang des Russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Der Krieg hat eine globale Dimension. Russland versetzt die Welt in Angst und Schrecken. Dies darf nicht ohne Folgen für Moskau bleiben.
Es geht eben nicht nur um die Ukraine – was schon schlimm genug ist – es geht eben um den Systemkonflikt: Gilt künftig weiterhin eine regelbasierte Ordnung oder eben die Macht des Stärkeren?
Wenn Russland Erfolg hat, ist unser Wohlstand dauerhaft gefährdet!
Frieden in Freiheit steht auf dem Spiel!
Ein Erfolg für Russland würde bedeuten, dass künftig mit nuklearer Abschreckung Landraub möglich wäre, dass durch konventionelle Angriffskriege Grenzen verschoben werden könnten und somit das Recht des Stärkeren gälte. Es gäbe dann keine freie Marktwirtschaft, keine ausgewogenen internationalen Geschäftsbeziehungen mehr. Als machtpolitisch unterlegene Gemeinschaft würden wir unterdrückt werden. Wir sollten wirklich nicht glauben, dass wir gegen China, am Ende noch im Zusammenwirken mit Russland, eine Chance hätten.
Russland darf daher keine Nachahmer finden, weder in China, noch in Nordkorea oder Iran. Wir sehen bereits jetzt wachsende machtpolitische Gemeinsamkeiten und Tendenzen auch zur militärischen Zusammenarbeit gegen den Westen mit dem erklärten Ziel, der bisherigen regelbasierten internationalen Ordnung ein eigenes System entgegenzusetzen.
Angesichts dieser Entwicklung sind wir mehr denn je angewiesen auf ein starkes Bündnis mit jenen Staaten, die an einer regelbasierten liberalen Ordnung westlichen Zuschnitts festhalten.
Eine sehr klare deutsche Haltung ist hier wichtig, eine Äquidistanz zu den USA und China verbietet sich. Unsere Position muss hier eindeutig und unmissverständlich für alle sein.
Nachrichtendienste spielen hier mit ihrem Auftrag und hoffentlich auch mit ihrer Befähigung zur nüchternen, kompetenten und sachbezogenen Lagefeststellung und Lagebeurteilung eine wichtige Rolle. An ihrer Leistungsfähigkeit darf nicht gespart werden. Am Ende des Prozesses steht jedoch immer eine politische Entscheidung und Bewertung; die keineswegs immer der Lageanalyse folgt. Wir haben erlebt, dass die Nachrichtendienste über Jahre hinweg vor Russland gewarnt haben, aber die Politik es in ihrer Gesamtheit nicht hören wollte, nicht wahrhaben wollte oder aber schlicht bewusst eine andere Strategie, andere Prioritäten verfolgte. Seit geraumer Zeit haben die Nachrichtendienste auch vor China, ebenso wie vor russischen Mobilisierungsverweigerern gewarnt; politisch wird jedoch anders entschieden, offenbar weil die Lehren noch nicht gezogen worden sind.
Unser Staat hat die „Zeitenwende“ ganz offensichtlich im Mindset noch nicht vollzogen. Dies darf in unser aller Interesse so nicht bleiben.
Deshalb möchte ich auch eine deutliche Ermutigung an Sie richten: Zeitenwende in den Nachrichtendiensten beginnt wie überall im Mindset
Ohne Sensibilisierung für hybride Bedrohungen, ohne Gefahrenanalyse und ohne Awareness des Systemkonflikts in dem wir uns befinden, wird keine Fähigkeit, kein ND-Tool etwas bewirken, wenn nicht der Wille und die Fähigkeit vorhanden sind, es auch einzusetzen.
helfen Sie mit, einsatzfähige Smart Power entwickeln; helfen Sie mit, Zeitenwende umzusetzen!
Zeitenwende ist eine Frage des mindsets, d.h. die Gesellschaft muss mitgenommen, sensibilisiert werden.
Hierfür brauchen wir auch Ihren Erfahrungsschatz, ihr Engagement und Ihr Wissen, gerade von Experten aus dem Sicherheitsbereich (Wirtschaft, Politik, Gesellschaft).
Wenn Deutschland „führen“ will, geht dies nur auf der Grundlage einer angemessenen Eigenleistung. Hierzu braucht es smarte Wirtschaft, smarte Gesellschaft und smarte Politik und es braucht eben auch smarte Nachrichtendienste