Kernaussagen des Bundesverfassungsgerichts zur Auslandsaufklärung des Bundesnachrichtendienstes
Eine Hintergrundinformation
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Dr. Hans-Dieter Herrmann, Vorsitzender des Vorstandes
In seinem Urteil zu Zulässigkeit und Grenzen der strategischen Ausland-Ausland-Aufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BND) vom 19. Mai 2020 (- 1 BvR 2835/17 -,) hat das Bundesverfassungsgericht wichtige grundsätzliche Klarstellungen zur verfassungsrechtlichen Grundlage sowie zu Umfang und Grenzen der Aufgabenstellungen des Bundesnachrichtendienstes getroffen.
Angesichts einer Diskussion, die in der Regel nur auf Einhegung und Kontrolle, nicht jedoch auf rechtliche Grundlagen, Legitimation und Bedeutung des Auftrags abhebt, möchte der Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland e.V. (GKND) in der nachstehenden Hintergrundinformation eine Zusammenstellung der diesbezüglichen Kernaussagen des Urteils vornehmen und so den Blick auf normative Grundlagen richten, die konstitutiv für ein sachgerechtes Verständnis des Dienst und seiner Aufgaben sind.
1) Verfassungsrechtlich etablierte gesetzliche Grundlage des BND
Der Bundesnachrichtendienst existiert und arbeitet auf einer gesetzlichen Grundlage (BNDG), die ihrerseits verfassungsrechtlich unstrittig auf der Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die auswärtigen Angelegenheiten gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG beruht.
123 Maßgebliche Kompetenzgrundlage ist Art.73 Abs.1 Nr.1 GG, der eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung begründet.
124 Die Einrichtung einer Stelle zur umfassenden Auslandsaufklärung fällt unstreitig unter die auswärtigen Angelegenheiten im Sinne von Art.73 Abs.1 Nr.1 GG (vgl. BVerfGE 100, 313 <369>). Dazu zählt auch die Ausstattung mit aufgabenadäquaten Befugnissen. Allerdings sind die Aufgaben, die der Gesetzgeber einer solchen Stelle übertragen kann, begrenzt.
125 Der Begriff der auswärtigen Angelegenheiten in Art. 73 Abs.1 Nr. 1 GG kann nicht ohne Rücksicht auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Übrigen bestimmt werden. Zum einen darf er nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern unterlaufen wird. Zum anderen muss er sich in die verschiedenen Kompetenzzuweisungen an den Bund einfügen.
Unter beiden Gesichtspunkten verbietet sich ein Verständnis des Begriffs, nach dem alle Tatbestände mit Auslandsbezug zu den auswärtigen Angelegenheiten zählen. Darunter sind [vielmehr] diejenigen Fragen zu verstehen, die für das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten oder zwischenstaatlichen Einrichtungen, insbesondere für die Gestaltung der Außenpolitik, Bedeutung haben (vgl. BVerfGE 100, 313 <368 f.>; vgl. auch BVerfGE 133, 277 <319 Rn. 101>).
126 Abzugrenzen ist die Gesetzgebungskompetenz nach Art.73 Abs.1 Nr.1 GG insbesondere von der Gesetzgebungskompetenz nach Art.73 Abs.1 Nr.9a GG, der dem Bund für die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus eine Gesetzgebungskompetenz allein in Bezug auf das Bundeskriminalpolizeiamt einräumt. Im Grenzbereich zur Verbrechensbekämpfung ist weiter von Belang, dass Art. 73 Abs.1 Nr.10 GG dem Bund bestimmte und zugleich begrenzte Gesetzgebungskompetenzen für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Bereich der Kriminalpolizei, für die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes sowie für die internationale Verbrechensbekämpfung zuweist. Darunter ist nicht die Bekämpfung internationaler Verbrechen zu verstehen, sondern die internationale Bekämpfung von Verbrechen, also etwa die Zusammenarbeit deutscher mit ausländischen Stellen in kriminalpolizeilichen Fragen. Im Übrigen fällt das Polizeirecht als Gefahrenabwehrrecht in die Zuständigkeit der Länder (vgl. BVerfGE 100, 313 <369>).
2) Verfassungsrechtlich zulässige gesetzliche Kompetenzzuweisungen an den BND
Die primäre Aufgabe der Auslandsaufklärung ist es, die Bundesregierung mit Entscheidungsgrundlagen zur Sicherung ihrer außen- oder verteidigungspolitischen Handlungsfähigkeit zu versorgen.
Hinzu tritt die Früherkennung von aus dem Ausland drohenden Gefahren, wenn diese eine hinreichend internationale Dimension aufweisen, wie etwa Gefahren durch staatenübergreifend machtvoll agierende Netzwerke der organisierten Kriminalität, durch von außen gesteuerte Cyberangriffe auf wichtige Infrastruktur oder durch Terrorakte, die sich als Ausdruck international verflochtener Konfliktlagen darstellen.
127 Hieraus ergibt sich, dass der Bund den Bundesnachrichtendienst mit der Auslandsaufklärung nicht allgemein zum Zweck der Gewährleistung der inneren Sicherheit betrauen kann. Art.73 Abs.1 Nr.1 GG berechtigt den Bundesgesetzgeber nicht dazu, Befugnisse einzuräumen, die auf die Verhütung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten als solche gerichtet sind (vgl. BVerfGE 100, 313 <370>; 133, 277 <319 Rn.101>). Dem Bundesnachrichtendienst können insoweit nur Aufgaben und Befugnisse übertragen werden, die eine außen- und sicherheitspolitische Bedeutung haben und damit eine internationale Dimension aufweisen.
128 Dies beschränkt den Bundesgesetzgeber umgekehrt allerdings nicht darauf, den Bundesnachrichtendienst allein mit der Aufgabe zu betrauen, die Bundesregierung mit Entscheidungsgrundlagen zur Sicherung ihrer außen- oder verteidigungspolitischen Handlungsfähigkeit zu versorgen (vgl. BVerfGE 100, 313 <368ff.>). Zwar liegt hierin die primäre Aufgabe der Auslandsaufklärung, von der das Gesamtprofil des auf Art.73 Abs.1 Nr.1 GG gestützten Dienstes auch geprägt bleiben muss. Jedoch kann dem Bundesnachrichtendienst als eigene Aufgabe auch die Früherkennung von aus dem Ausland drohenden Gefahren anvertraut werden, wenn diese eine hinreichend internationale Dimension aufweisen. Maßgeblich ist, dass es sich um Gefahren handelt, die sich ihrer Art und ihrem Gewicht nach auf die Stellung der Bundesrepublik in der Staatengemeinschaft auswirken können und gerade in diesem Sinne von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind. Zu denken ist hier etwa an Gefahren durch staatenübergreifend machtvoll agierende Netzwerke der organisierten Kriminalität, durch von außen gesteuerte Cyberangriffe auf wichtige Infrastruktur oder durch Terrorakte, die sich als Ausdruck international verflochtener Konfliktlagen darstellen. Demgegenüber umfasst die Kompetenz nicht die Schaffung von Regelungen zur Aufklärung einzelner, auch bedeutsamer Straftaten im Inland, allein weil sich hierfür Tatbeiträge oder Erkenntnisquellen im Ausland befinden. Auch könnte die Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes etwa nicht generell auf die Aufklärung von Auslandsstraftaten nach §6 StGB erstreckt werden. Dass hier die Tatbegehung im Ausland unter Strafe gestellt wird und solche Normen in internationale Vereinbarungen einbezogen sind, begründet für sich noch nicht, dass ihrer Aufklärung in jedem Fall eine außen- und sicherheitspolitische Bedeutung zukommt, die alleine dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz nach Art.73 Abs.1 Nr.1 GG eröffnet.
3. Umfang und Grenzen zulässiger Geheimhaltung
Die Aufklärung im Ausland ist auf strenge Abschirmung verwiesen, um Informationen erlangen zu können, ohne die eigenen Ressourcen und Quellen zu gefährden.
Geheim gehalten werden müssen dabei nicht nur die einzelnen Maßnahmen und Erkenntnisse des hiermit betrauten Bundesnachrichtendienstes, sondern auch Informationen, inwieweit dem Dienst die Aufklärung zu welchen Fragen möglich oder unmöglich ist und welchen Grad der Detailliertheit er hierbei erreicht.
Für die Handlungsgrundlagen und Grenzen der nachrichtendienstlichen Befugnisse kann es im demokratischen Rechtsstaat jedoch eine prinzipielle Geheimhaltung nicht geben.
Das Erfordernis einer normenklaren und hinreichend bestimmten Fassung der gesetzlichen Befugnisse stellt dabei die Möglichkeit, sie in der Sache geheim handzuhaben, nicht in Frage.
138 [Die] Aufgabenwahrnehmung [der Dienste bedarf] in weitem Umfang der Geheimhaltung. Gerade die Aufklärung im Ausland ist grundsätzlich auf strenge Abschirmung verwiesen, um Informationen erlangen zu können, ohne die eigenen Ressourcen und Quellen zu gefährden (vgl. BVerfGE 30, 1 <18 f.>; 100, 313 <397 f.>). Geheim gehalten werden müssen dabei nicht nur die einzelnen Maßnahmen und Erkenntnisse des hiermit betrauten Bundesnachrichtendienstes, sondern auch Informationen, inwieweit dem Dienst die Aufklärung zu welchen Fragen möglich oder unmöglich ist und welchen Grad der Detailliertheit er hierbei erreicht. Da der Dienst davon ausgehen muss, seinerseits den Ausforschungsversuchen ausländischer Dienste ausgesetzt zu sein, setzen sich die Geheimhaltungserfordernisse bis tief in die Organisation der Dienste fort. Dem darf der Gesetzgeber Rechnung tragen.
139 Aus der Geheimhaltungsbedürftigkeit der Auslandsaufklärung lässt sich jedoch nicht ableiten, dass über den Bundesnachrichtendienst überhaupt möglichst wenig bekannt werden dürfte und auch seine Rechtsgrundlagen möglichst weitgehend im Dunkeln bleiben müssten. Für die Handlungsgrundlagen und Grenzen der nachrichtendienstlichen Befugnisse kann es im demokratischen Rechtsstaat eine prinzipielle Geheimhaltung nicht geben. Ebenso wie der Gesamthaushalt und die Personalstärke der Nachrichtendienste vollständig durch das Parlament festgelegt und öffentlich verantwortet werden müssen (zur Kontrolle der Mittelbewirtschaftung im Einzelnen vgl. demgegenüber § 10a BHO), müssen auch ihre Befugnisse durch Gesetz normenklar und bestimmt vor der Öffentlichkeit geregelt werden und Verantwortlichkeiten klar zugeordnet sein (vgl. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig [Hrsg.], Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, BNDG Vorb. Rn. 10, 13). Mit der Grundrechtsbindung korrespondiert die parlamentarisch-demokratische Verantwortung für die Einschränkung der Grundrechte. Geheimhaltung gilt insoweit nur nach Maßgabe des öffentlichen Gesetzes. Sie ist auch für die Auslandsaufklärung kein Selbstzweck, sondern nur gerechtfertigt, wenn Art und Umfang der geheimhaltungsbedürftigen Tätigkeit des Dienstes in demokratisch-öffentlicher Weise legitimiert sind und die Geheimhaltung in den spezifischen Grenzen funktionaler Notwendigkeit verbleibt.
140 Das Erfordernis einer normenklaren und hinreichend bestimmten Fassung der gesetzlichen Befugnisse stellt dabei die Möglichkeit, sie in der Sache geheim handzuhaben, nicht in Frage. Da die Befugnisse nur abstrakt rechtliche Möglichkeiten schaffen, sagen sie nichts darüber aus, ob, wie, mit welcher Reichweite und welchem Erfolg von ihnen Gebrauch gemacht wird.
4) Natur, Zielsetzung und operative Rahmenbedingungen zulässiger Auslandsaufklärung
Die Auslandsaufklärung betrifft Vorgänge in anderen Ländern, in denen der deutsche Staat nicht über Hoheitsbefugnisse verfügt. Sie soll damit dazu beitragen, frühzeitig Gefahren zu erkennen, die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik zu wahren und die Bundesregierung in außen- und sicherheitspolitischen Fragen mit Informationen zu versorgen. Hierin liegt ein legitimes Ziel.
Die Aufgabe der Auslandsaufklärung liegt primär darin, zunächst eine Informationsbasis zu schaffen, Informationen zu bewerten, auf ihre Relevanz zu prüfen und sie dann aufbereitet der Bundesregierung sowie gegebenenfalls weiteren Adressaten zur Verfügung zu stellen.
Sie zielt damit auf die Erhellung und das Verständnis von Umständen ab, hinsichtlich derer es an einer unmittelbaren alltäglichen Wahrnehmung seitens deutscher Stellen und der innerstaatlichen Öffentlichkeit fehlt. Es geht um Erkenntnisse zu Entwicklungen in Kontexten, die sich allein mit Informationen aus dem Inland nur schwer deuten lassen und zum Teil Länder mit informationell wenig offenen Strukturen betreffen.
Sie betrifft Vorgänge in anderen Ländern, in denen der deutsche Staat allenfalls punktuell mit eigenen Erkenntnisquellen präsent ist und sein kann, und in denen er nicht über Hoheitsbefugnisse verfügt, die ihm einen unmittelbaren Zugriff auf Informationen ermöglichen.
Dabei muss sie insbesondere auch an Informationen gelangen können, die ihr – möglicherweise in nachteiliger Absicht – gezielt vorenthalten und in der Hoheitssphäre des Drittstaats geheim gehalten werden. Diese Maßnahmen können zudem nach dem Recht des Zielstaats nicht selten illegal, jedenfalls oft unerwünscht sein. Dabei ist der Dienst zugleich mit den Abwehrtätigkeiten der Zielländer konfrontiert, die die Aufklärung ihrerseits mit polizeilichen und nachrichtendienstlichen Mitteln behindern und zu hintertreiben suchen. Die Arbeit ist damit besonders gefährdet und prekär und auf außergewöhnliche Mittel verwiesen.
144 Die strategische Telekommunikationsüberwachung dient einem legitimen Zweck und ist zu seiner Erreichung nach dem Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geeignet und erforderlich. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die strategische Überwachung Erkenntnisse über das Ausland verschaffen, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik sind. Sie soll damit dazu beitragen, frühzeitig Gefahren zu erkennen, die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik zu wahren und die Bundesregierung in außen- und sicherheits- politischen Fragen mit Informationen zu versorgen. Hierin liegt ein legitimes Ziel.
149 Die Auslandsaufklärung betrifft Vorgänge in anderen Ländern, in denen der deutsche Staat nicht über Hoheitsbefugnisse verfügt, und ist dabei dem Bundesnachrichtendienst als einer Behörde vorbehalten, die grundsätzlich keine eigenen operativen Befugnisse hat. Die Aufgabe der Auslandsaufklärung liegt primär darin, zunächst eine Informationsbasis zu schaffen, Informationen zu bewerten, auf ihre Relevanz zu prüfen und sie dann aufbereitet der Bundesregierung sowie gegebenenfalls weiteren Adressaten zur Verfügung zu stellen.
158 Ausgangspunkt [für die strategische Fernmeldeaufklärung ist] das Aufgabenprofil der Auslandsaufklärung. Bei ihr geht es nicht primär um gezielte Ermittlungen hinsichtlich bereits feststehender Vorgänge und damit nicht um die Aufklärung schon klar umrissener Sachverhalte, sondern vor allem um das Aufspüren und Identifizieren von relevanten Informationen bezüglich nur abstrakt bestimmbarer Erkenntnisinteressen. Die Aufgabe der Auslandsaufklärung liegt insoweit darin, zunächst eine umfangreiche Informationsbasis zu schaffen, um Entwicklungen breitflächig zu beobachten, die Informationen dann zu bewerten, auf ihre Relevanz zu prüfen und sie schließlich in kondensierter Form der Bundesregierung sowie gegebenenfalls weiteren Adressaten zur Verfügung zu stellen. Die potentiellen Erkenntnisinteressen eröffnen dabei mit ihrer Ausrichtung auf die gesamte Außen- und Sicherheitspolitik ein weites Spektrum.
159 Im Unterschied zu Maßnahmen der frühzeitigen innerstaatlichen Identifizierung von Gefahren hat hierbei zunächst schon Bedeutung, dass die Auslandsaufklärung auf die Erhellung und das Verständnis von Umständen abzielt, hinsichtlich derer es an einer unmittelbaren alltäglichen Wahrnehmung seitens deutscher Stellen und der innerstaatlichen Öffentlichkeit fehlt. Es geht um Erkenntnisse zu Entwicklungen in Kontexten, die sich allein mit Informationen aus dem Inland nur schwer deuten lassen und zum Teil Länder mit informationell wenig offenen Strukturen betreffen. Maßgeblich sind vor allem aber die besonderen Handlungsbedingungen bei Erfüllung dieser Aufgabe. Die Auslandsaufklärung betrifft Vorgänge in anderen Ländern, in denen der deutsche Staat allenfalls punktuell mit eigenen Erkenntnisquellen präsent ist und sein kann und in denen er nicht über Hoheitsbefugnisse verfügt, die ihm einen unmittelbaren Zugriff auf Informationen ermöglichen (ebenso EGMR, Big Brother Watch and others v. United Kingdom, Urteil vom 13. September 2018, Nr. 58170/13 u.a., § 518). Dabei muss die Aufklärung im Interesse der Handlungsfähigkeit und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland insbesondere auch an Informationen gelangen können, die ihr – möglicherweise in nachteiliger Absicht – gezielt vorenthalten und in der Hoheitssphäre des Drittstaats geheim gehalten werden. Die Maßnahmen der Aufklärung können zudem nach dem Recht des Zielstaats nicht selten illegal, jedenfalls oft unerwünscht sein. Dabei ist der Dienst zugleich mit den Abwehrtätigkeiten der Zielländer konfrontiert, die die Aufklärung ihrerseits mit polizeilichen und nachrichtendienstlichen Mitteln behindern und zu hintertreiben suchen. Die Arbeit ist damit besonders gefährdet und prekär und auf außergewöhnliche Mittel verwiesen.
5) Überragendes öffentliches Interesse an wirksamer Auslandsaufklärung
Die Auslandsaufklärung des Bundesnachrichtendienstes zielt auf Informationen, die Bedeutung für die Stellung und Handlungsfähigkeit Deutschlands in der Staatengemeinschaft entfalten und damit gerade in diesem Sinne von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind.
Die Versorgung der Bundesregierung mit Informationen für ihre außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen hilft ihr, sich im machtpolitischen Kräftefeld der internationalen Beziehungen zu behaupten, und kann folgenreiche Fehlentscheidungen verhindern.
Mittelbar geht es hierbei um die Bewahrung demokratischer Selbstbestimmung und den Schutz der verfassungsrechtlichen Ordnung – und damit um Verfassungsgüter von hohem Rang. In Frage steht mithin ein gesamtstaatliches Interesse, das über das Interesse an der Gewährleistung der inneren Sicherheit als solcher deutlich hinausgeht.
Im Zuge der Entwicklung der Informationstechnik und der internationalen Kommunikation, ebenso wie damit der engeren grenzüberschreitenden Verflechtung der Lebensbedingungen im Allgemeinen, haben die Bedrohungen vom Ausland aus erheblich zugenommen. Die Früherkennung von Gefahrenlagen, die aus dem Ausland drohen, gewinnt damit für die Sicherheit besondere Bedeutung.
Organisierte Kriminalität und Geldwäsche wie auch Menschenhandel, elektronische Angriffe auf informationstechnische Systeme, internationaler Terrorismus oder der Handel mit Kriegswaffen zielen zum Teil auf eine Destabilisierung des Gemeinwesens und können zur Bedrohung für die verfassungsmäßige Ordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder der Länder sowie für Leib, Leben und Freiheit werden.
Dies wiederum sind Rechtsgüter von überragendem verfassungsrechtlichen Gewicht, für deren Schutz der Gesetzgeber eine wirksame und zugleich rechtsstaatlich eingehegte Auslandsaufklärung als unverzichtbar ansehen kann.
161 Zu berücksichtigen ist dabei auch das überragende öffentliche Interesse an einer wirksamen Auslandsaufklärung.
162 Entsprechend der kompetenziellen Rückbindung (oben Rn. 123 ff.) zielt die Auslandsaufklärung immer auf Informationen, die Bedeutung für die Stellung und Handlungsfähigkeit Deutschlands in der Staatengemeinschaft entfalten und damit gerade in diesem Sinne von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind. Die Versorgung der Bundesregierung mit Informationen für ihre außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen hilft ihr, sich im machtpolitischen Kräftefeld der internationalen Beziehungen zu behaupten, und kann folgenreiche Fehlentscheidungen verhindern. Insoweit geht es mittelbar zugleich um die Bewahrung demokratischer Selbstbestimmung und den Schutz der verfassungsrechtlichen Ordnung – und damit um Verfassungsgüter von hohem Rang. In Frage steht mithin ein gesamtstaatliches Interesse, das über das Interesse an der Gewährleistung der inneren Sicherheit als solcher deutlich hinausgeht.
163 Von Gewicht ist hierbei, dass im Zuge der Entwicklung der Informationstechnik und der internationalen Kommunikation, ebenso wie damit der engeren grenzüberschreitenden Verflechtung der Lebensbedingungen im Allgemeinen, Bedrohungen vom Ausland aus erheblich zugenommen haben. Die Früherkennung von Gefahrenlagen, die aus dem Ausland drohen, gewinnt hierbei auch für die Sicherheit besondere Bedeutung. Die Erweiterung und Internationalisierung der Kommunikationsmöglichkeiten und die damit gesteigerte Politisierung und Organisationsfähigkeit international agierender krimineller Gruppierungen führen dazu, dass innerstaatliche Gefahrenlagen oftmals durch Netzwerke international zusammenarbeitender Akteure begründet sind und leicht eine außen- und sicherheitspolitische Dimension erhalten können. Die Herausforderungen durch weltweit verflochtene Kreise organisierter Kriminalität und Geldwäsche wie auch Menschenhandel, elektronische Angriffe auf informationstechnische Systeme, den internationalen Terrorismus oder den Handel mit Kriegswaffen machen das beispielhaft deutlich (vgl. Kojm, in: Goldman/Rascoff [Hrsg.], Global Intelligence Oversight, 2016, S. 95 ff.; Goodman/Ischebeck-Baum, in: Dietrich/Sule [Hrsg.], Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 1 <insb. Rn.104ff.>; hinsichtlich des Gefahrenbereichs „Cyber“ siehe auch BTDrucks 18/4654, S. 40 f.; zu den Gefahrenbereichen „internationaler Terrorismus“ und „Kriegswaffenproliferation“ siehe bereits BTDrucks 12/6853, S.20, 42). Solche Aktivitäten zielen zum Teil auf eine Destabilisierung des Gemeinwesens (vgl. zum internationalen Terrorismus BVerfGE 115, 320 <357>; 133, 277 <333f. Rn.133>; 143, 101 <138 f. Rn. 125>) und können zur Bedrohung für die verfassungsmäßige Ordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder der Länder sowie für Leib, Leben und Freiheit werden. Dies sind Rechtsgüter von überragendem verfassungsrechtlichen Gewicht, für deren Schutz der Gesetzgeber eine wirksame und zugleich rechtsstaatlich eingehegte Auslandsaufklärung als unverzichtbar ansehen kann (vgl. BVerfGE 115, 320 <358>; 143, 101 <138 f. Rn.124ff.>).
6) Notwendigkeit, Zulässigkeit und sachlich erforderliche Voraussetzungen internationaler Kooperation
Aufklärung steht nicht allein im Gegeneinander der verschiedenen Nachrichtendienste, sondern auch im Miteinander zur Aufklärung von die Bundesrepublik Deutschland und andere Länder gleichermaßen betreffenden Fragenkreisen.
Insbesondere die Aufklärung politisch oder militärisch relevanter Geschehensabläufe, aber auch die Frühaufklärung von Gefahren der internationalen Kriminalität, zu der auch der internationale Terrorismus gehört, sind für ihre Wirksamkeit heute auf eine Kooperation der Dienste untereinander angewiesen.
Kooperationsfähig ist der Bundesnachrichtendienst aber nur, wenn er auch seinerseits Befugnisse hat, mit deren Hilfe er auch durch eigene Erkenntnisse als Partner beizutragen vermag.
160 Zu berücksichtigen ist zugleich, dass die Aufklärung nicht allein im Gegeneinander der verschiedenen Nachrichtendienste, sondern auch im Miteinander zur Aufklärung von die Bundesrepublik Deutschland und andere Länder gleichermaßen betreffenden Fragenkreisen steht. Insbesondere die allein der Information der Bundesregierung dienende Aufklärung politisch oder militärisch relevanter Geschehensabläufe, aber auch die Frühaufklärung von Gefahren der internationalen Kriminalität, zu der auch der internationale Terrorismus gehört, sind für ihre Wirksamkeit heute auf eine Kooperation der Dienste untereinander angewiesen. Kooperationsfähig ist der Bundesnachrichtendienst aber nur, wenn er auch seinerseits Befugnisse hat, mit denen er die Ergebnisse anderer Dienste prüfen, sie aufnehmen und weiter verwerten kann und mit deren Hilfe er auch durch eigene Erkenntnisse als Partner beizutragen vermag. Befugnisse zur anlasslosen Überwachung der Auslandskommunikation dürften dabei, nach allem was bekannt ist, heute zur verbreiteten Ausstattung dieser Dienste gehören (für die USA: Section 702 Foreign Intelligence Surveillance Act; vgl. dazu Renan, in: Goldman/Rascoff [Hrsg.], Global Intelligence Oversight, 2016, S. 121 <insb. 123 ff.>; für das Vereinigte Königreich Part 6 Chapter 1 Investigatory Powers Act 2016; vgl. dazu Leigh, in: Dietrich/Sule [Hrsg.], Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S.553ff.; McKay/Walker, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg [Hrsg.], Reform der Nachrichtendienste zwischen Vergesetzlichung und Internationalisierung, 2019, S.119ff.; für Frankreich: Article L854-1 bis L854-9 Code de la sécurité intérieure [Des mesures de surveillance des communications électroniques internationales]; s. dazu auch Le Divelec, in: Dietrich/Sule [Hrsg.], Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S.516 ff.; Warusfel, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg [Hrsg.], Reform der Nachrichtendienste zwischen Vergesetzlichung und Internationalisierung, 2019, S.129 ff.).