#followtheglitchkarnickel

Anmerkungen des GKND zur Personalgewinnung des BND


Die folgende Fassung des Papers enthält keine Fußnoten. Die vollständige Fassung können Sie über das PDF abrufen

Dr. Hans-Dieter Herrmann, Vorsitzender des Vorstandes

Unter dem Hashtag "#followtheglitchkarnickel" versucht der Bundesnachrichtendienst derzeit, die Hacker-Szene im Internet in Sprache, Cyber-Ästhetik und mit einem besonderen Bildprogramm direkt zu erreichen.

Eingeleitet wurde die Kampagne am Abend des 26. Februar mit zunächst anonymisierten Kurzzeitprojektionen an verschiedenen Berliner Fassaden, wie jener des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der Deutschen Oper oder am U-Bahnhof Bundeskanzleramt, zuletzt auch an der BND-Zentrale in der Chausseestraße.

Über acht Wochen hinweg soll eine Kampagne in Form des „Guerilla-Marketing“ zur Rekrutierung von Fachkräften im Bereich IT-Sicherheit, Hacking, Reverse Engineering und Kryptographie organisiert werden. Kurzfristig intendiert ist hiermit Werbung für aktuelle Stellenausschreibungen des BND im technischen Bereich. Langfristig wird es wohl darum gehen müssen, den BND als Arbeitgeber in diesem hochspezialisierten und heftig umworbenen Segment des Arbeitsmarkts zu positionieren.

Der hier gewählte irritierend-spielerische Ansatz ist zumindest ungewöhnlich für eine deutsche Behörde. Er zielt ganz offensichtlich auf Wirkung im kulturellen Umfeld der Zielgruppe ab: Sprache und Ästhetik (Cyberpunk und Glitch-Effekte) orientieren sich an der Hacker- und IT-Szene. Das Motto "followtheglitchkarnickel" erinnert wohl nicht zufällig an "followthewhite rabbit" aus dem Science Fiction Kultfilm Matrix und soll Interesse an der gleichnamigen Web-Site wecken, die das Kernelement der Kampagne darstellt und folgende Elemente umfasst:

  • einen Kampagnenfilm zu Fassadenprojektionen,

  • ein Statement des Pressesprechers zur Kampagne,

  • Animationen und GIFs des Karnickels zum Download,

  • einen Code zum Ausdrucken des Karnickels am 3D-Drucker,

  • einen Link zur dann aktuellen Hacking-Challenge des BND,

  • das Hacker-Testimonial der BND-Website und

  • aktuelle Stellenausschreibungen beim BND.

Am 01. März ist die Ausspielung der Online-Werbekampagne eingeleitet worden, auch mithilfe von SocialAds und GoogleAds.

 

Die Probleme behördlicher Arbeitgeber bei der Rekrutierung von Personal mit spezifischem, auf dem Arbeitsmarkt intensiv nachgesuchten Befähigungsprofil sind gerade im Bereich von Cyber und IT seit Jahren bekannt. Neben den relativ schwachen finanziellen Anreizen einer öffentlich-rechtlichen Besoldung kommt in diesem besonderen Segment auch ein spezifisches Akzeptanz- und Kommunikationsproblem hinzu, das sich weniger aus der nachrichtendienstlichen Natur der Aufgabe und des Arbeitgebers als aus dessen allgemeiner Zugehörigkeit zum gesellschaftlichen „Establishment“ ergibt, dem man sich zumindest nicht zugehörig fühlt, und dessen Sprache und soziale Manifestationen man nicht teilt.

Der Versuch, zumindest die kommunikative Kluft zu überbrücken, ist mithin folgerichtig, letztlich allerdings auch überfällig. Ein kurzer Blick über die Grenzen, etwa nach Großbritannien, zeigt, wie früh und konsequent das dortige GCHQ seine Personalgewinnung auf die relevanten Zielgruppen hin ausgerichtet hat und weiter im Sinne einer möglichst umfassenden gesellschaftlichen und professionellen Inklusion im Interesse einer optimalen Synergie unterschiedlichster Talente und Befähigungen zur Entwicklung unkonventioneller Lösungs- und Analyseansätze optimiert. Das Beispiel zeigt auch, dass dieses Desiderat bereits seit mindestens fünf Jahren in der medialen wie parlamentarischen britischen Öffentlichkeit anhaltende Aufmerksamkeit findet.

Mögliche Kritik am vergleichsweise späten Zeitpunkt dieser grundsätzlich nur zu begrüßenden BND-Initiative wird sich jedoch weniger an den Dienst selbst zu richten haben, der in den vergangenen Jahren bereits immer wieder erhebliche Anstrengungen in Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation unternommen hat. Eine explizitere, konsistentere und nachhaltigere politische Wahrnehmung und öffentliche Kommunikation von Verantwortung, Aufgabenstellung und Position des Bundesnachrichtendienstes als wesentlicher Teil einer sachlich erforderlichen und verfassungsrechtlich hinterlegten deutschen Sicherheitsarchitektur ist vielmehr auch im regierungsamtlichen und parlamentarischen Diskurs anzumahnen, vor dessen Hintergrund erst die Öffentlichkeitsarbeit des Dienstes an Legitimität und Kontur in der öffentlichen Wahrnehmung und damit an Wirksamkeit gewinnen kann. Mit schmallippigen gelegentlichen Referenzen ist es hier angesichts des breiten gesellschaftlichen Comments einer a priori kritischen bis ablehnenden Betrachtung nicht getan. Ein eventuelles „too little too late“ müsste mithin einem wesentlich breiteren politischen Adressatenkreis und keineswegs nur in Bezug auf die aktuelle Kampagne entgegen gehalten werden. Der GKND plädiert hier allerdings bis auf weiteres für ein versöhnlicheres „better late than never“, nicht ohne jedoch erneut auf die defizitäre öffentliche Behandlung der Thematik hinzuweisen und für einen Paradigmenwechsel hin zu einer angemessenen, sachgerechten Betrachtung des Dienstes und seiner Bedeutung für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu werben.

Unter fachlichen Gesichtspunkten wird zu hoffen sein, dass die Initiative den richtigen Ton getroffen hat oder aber in den kommenden Wochen und Monaten in kommunikativer Interaktion mit der Zielgruppe finden wird. Erste Kommentare aus dem Umfeld deuten auf eine eher positive Resonanz hin. Für ein abschließendes Urteil dürften allseits noch weitere Erfahrungswerte fehlen, wie Behördliches und Informelles in die richtige Balance zu bringen sein wird. Eine frühzeitige zielgruppenorientierte Überprüfung und nötigenfalls Adjustierung der verbalen und nonverbalen Botschaften wird hier nicht zuletzt auch im Interesse eines jedenfalls anzuratenden längerfristigen Umbaus der Öffentlichkeitsarbeit des Dienstes hin zu konsequenter Zielgruppenorientierung über die „Cyber-Szene“ hinaus zu empfehlen sein.

Abschließend sei jedoch vor dem langjährigen Erfahrungshintergrund der GKND-Mitgliedschaft auf einen sehr wesentlichen Aspekt mit inhärentem erheblichem Handlungspotential hingewiesen: Die beste Kampagne nützt nichts oder verkehrt sich sogar in ihr Gegenteil, wenn ihr nicht moderne, zielgruppenorientierte Strukturen und Verfahren in Personalwirtschaft und Personalführung innerhalb des Dienstes entsprechen. Enttäuschungen bis hin zur inneren oder auch förmlichen Kündigung, die dann in derart sicherheitsempfindlichen Funktionen immer noch das kleinere Übel wäre, wären ansonsten die unvermeidliche Folge. Hier sind in der Vergangenheit im Einzelfall immer wieder ebenso unnötige wie schmerzliche Verluste angesichts eines zu hart ausfallenden „clash of civilizations“ zwischen herkömmlichen öffentlich-rechtlichen Regularien und eher staatsferner digitaler Welt zu beklagen gewesen. Es wird mithin ernsthaft zu prüfen sein, wie neue, auch status- und laufbahnrechtliche wie organisatorische Wege nach dem Vorbild von Partnerdiensten beschritten werden können, um das erforderliche spezifische Arbeits- und Lebensumfeld für einen kreativen und dynamischen „Cyber-Raum“ zu schaffen und zu bewahren. Auch hier können nötigenfalls die bereits seit über 10 Jahren bestehenden pragmatischen Ansätze im britischen GCHQ als Anregung und Ansporn dienen, das Besuchern in Alter, Sozialverhalten und Dynamik seiner Belegschaft als augenscheinliche Antithese einer konventionell strukturierten und organisierten Behörde entgegentritt.

Dass eine derart qualifizierte, dynamische und motivierte Einheit auch einen adäquaten technisch-operativen Handlungsrahmen haben muss, sollte sich von selbst verstehen, sei aber angesichts der aktuellen, unter so andersartigen Auspizien stattfindenden Diskussion um das BND-Gesetz noch einmal ausdrücklich betont. Hier kann im Interesse einer realistischen und perspektivischen Bewertung der Erfordernisse an den Dienst erneut nur auf die Sinnhaftigkeiteiner vergleichenden Betrachtung der Befähigungen und Befugnisse unserer Verbündeten hingewiesen werden. „Viel können sollen, aber wenig dürfen dürfen“, wird letztlich weder eine valide Grundlage für die essentiell notwendige Motivation und Führung einer neuen Generation hochqualifizierter Mitarbeiter*innen und Wahrung einer Kooperation mit unseren Freunden und Partnern auf Augenhöhe sein, noch grundsätzlich für ein verantwortbares Maß an eigenen Befähigungen zur Aufgabenerfüllung angesichts der besonders dynamischen Risiken und Bedrohungen im Cyber-Raum.

Der neue Ansatz in Marketing und Personalgewinnung sollte hier mithin auch als ein Schritt angesehen werden, der in Bedeutung und Wirkungsmacht deutlich über seinen unmittelbar verfolgten Zweck hinausweist.

 

Dr. Hans-Dieter-Herrmann

Vorsitzender

 
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