Die Novellierung des BND-Gesetzes

Eine Stellungnahme des GKND
 zur Ersten Lesung am 28.01.2021


Die folgende Fassung des Papers enthält keine Fußnoten. Die vollständige Fassung können Sie über das PDF abrufen

Dr. Hans-Dieter Herrmann, Vorsitzender des Vorstandes

Der Entwurf des BND-Gesetzes in der Fassung vom 03.12.2020 steht nunmehr am 28. Januar 2021 zur ersten Lesung und Überweisung an die Gremien zur weiteren Erörterung an. Die Bundesregierung setzt hiermit die Forderung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Mai 2020 nach einer Neuregelung der strategischen Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes um, die sich aus der Grundsatzentscheidung des Gerichts zur Bindungswirkung der Grundrechte für das Handeln deutscher Behörden im Ausland notwendig ergeben hat.

Das Bundesverfassungsgericht hat die strategische Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung, d.h. die anlasslose, allein auf Suchbegriffen aufbauende Erfassung von internationaler Kommunikation, unmissverständlich für sachlich ebenso geboten wie verfassungsrechtlich zulässig erklärt. Der Gesetzentwurf wird nun daraufhin zu prüfen sein, ob die inhaltlichen und prozeduralen Einhegungen, die das Gericht als Zulässigkeitsvoraussetzungen definiert hat, sowie die erforderlichen Mechanismen der Dienstaufsicht, der politischen, rechtlichen und administrativen Kontrolle in angemessener Weise Eingang in die Novellierung gefunden haben.

Zugleich wird allerdings auch festzustellen und unter dem Aspekt der gesetzgeberischen und insbesondere auch politischen Verantwortung zu dokumentieren sein, in welchem Umfang die neuen Regelungen weiterhin eine auftragsgerechte, wirkungsvolle, international anschlussfähige Auslandsaufklärung ermöglichen, wo eventuelle Einschränkungen im Lichte der Rechtslage als unvermeidlich hinzunehmen sind, und welche Konsequenzen dies für die Auftragserfüllung des Bundesnachrichtendienstes nach sich ziehen wird. Eine leistungsfähige strategische Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung wird in zentralen Feldern staatlicher Selbstbehauptung und Krisenbewältigung zur Wahrung höchstrangiger Rechtsgüter von der Bundesregierung herangezogen. Von der Qualität und Zeitgerechtigkeit der Ergebnisse hängen weitreichende Sachentscheidungen von erheblicher sicherheitspolitischer Bedeutung und im Einzelfall auch persönliche Schicksale ab.

Mit der anstehenden Novellierung steht damit die Funktions- und Zukunftsfähigkeit eines Kernbereichs der nachrichtendienstlichen Auslandsaufklärung und mit ihr ein konstitutives Element einer informationsbasierten, sachlich wie politisch verantwortlichen Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zur Wahrung elementarer Sicherheitsinteressen auf dem Spiel. Dem Bundesnachrichtendienst ist hier seitens des Bundesverfassungsgerichts ein hohes Maß an Verantwortung attestiert worden, dem dieser jedoch nur in dem Umfang gerecht werden kann, den ihm der hier politisch verantwortliche Gesetzgeber zuweist.

Der GKND nimmt daher den anstehenden Parlamentstermin unter Verweis auf seine bisherigen Stellungnahmen und Hintergrundinformationen zum Thema erneut zum Anlass, im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes zur Unterstützung der Bundesregierung und der zuständigen Sicherheitsbehörden für die Berücksichtigung wesentlicher Aspekte für die Arbeitsfähigkeit des Dienstes im Rahmen der anstehenden Beratungen zu werben:

  1. Ein Vertrauensverlust verbündeter Dienste in den Bundesnachrichtendienst und seine Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Geheimhaltung aufgrund immer wieder geforderter externer Mechanismen objektivrechtlicher gerichtsähnlicher oder auch administrativer Kontrolle, die als nicht angemessen zur Wahrung der Third Party Rule angesehen werden, muss vermieden werden. Hier werden Perzeptionen, Rechtsordnungen und Sicherheitsbedürfnisse der strategischen Partner maßgeblich zu berücksichtigen sein, auf die der Bundesnachrichtendienst in einem besonders sensiblen Feld nachrichtendienstlicher Kooperation angesichts der eigenen geopolitischen, technischen und rechtlichen Einschränkungen auf absehbare Zeit essentiell angewiesen sein wird.

  2. Essentielle Kooperationsgrundlagen mit ausländischen Diensten dürfen nicht durch die Forderung nach umfänglichen Rechtszusicherungen, die über die jeweiligen nationalen Regelungen hinausgehen, schwerwiegend beeinträchtigt oder gar grundsätzlich in Frage gestellt werden. Sich hier abzeichnende Normenkonflikte, die zu Lasten einer gemeinsamen Handlungsfähigkeit gehen, können gravierende Konsequenzen haben. Eine legislative Güterabwägung wird hier mit der notwendigen Transparenz für alle Beteiligten und der damit einhergehenden Übernahme politischer Verantwortung für das Ergebnis zu erfolgen haben.

  3. Eine a priori-Negierung von Kooperationsansätzen, gerade auch im Hinblick auf Partner mit unterschiedlichen Rechtsordnungen, jedoch geopolitisch und operativ bedeutsamen Leistungsparametern, führt zu einer gefährlichen Verengung von Handlungsoptionen mit potentiell erheblichen Konsequenzen für die Wahrung höchstrangiger Rechtsgüter im Krisen- und Konfliktfall. Sollten hier keine gangbaren Lösungswege geschaffen werden können, wird dies auch in der notwendigen Klarheit als vom Gesetzgeber hinzunehmendes und von diesem zu vertretendes Risiko zu kommunizieren sein.

  4. Der Bundesregierung wie ihren nachgeordneten Behörden müssen sicherheitspolitisch essentielle Handlungsoptionen im Umgang mit politisch, militärisch oder sicherheitlich bedeutsamen personenbezogenen Informationen, die zunächst allein zu ihrer nationalen Unterrichtung und nicht prima facie zur Gefahrenabwehr erhoben worden sind, an die Hand gegeben werden. Eine rechtssichere unverzügliche Übermittlung an zuständige Dienststellen, Partner und Verbündete muss auch hier im begründeten, gegebenenfalls vom unabhängigen Kontrollrat ex ante zu prüfenden Einzelfall möglich sein.

  5. Die gesetzlich vorgesehenen Genehmigungs- und Kontrollmechanismen müssen hohen Anforderungen an Geheimhaltung wie qualitativer Leistungsfähigkeit standhalten können. Verzögerungen in operativen Eilfällen und damit einhergehende Gefährdungen hochrangiger Rechtsgüter dürfen hier nicht schon strukturell angelegt sein. An eine spezifische Sach- und Fachkompetenz (Vertrautheit mit Technik, ND-Grundlagen und Sicherheitsrecht) der gerichtsähnlichen objektiven Rechts- und administrativen Kontrolle muss ein hoher Maßstab angelegt werden, um rasche und treffsichere kompetente Bescheidungen notfalls binnen weniger Stunden zu ermöglichen.

  6. Der mit den umfänglichen Genehmigungs-, Dokumentations- und Kontrollverfahren einhergehende ganz erhebliche Arbeitsaufwand wird nicht nur durch eine zwingend erforderliche angemessene Personal- und Sachausstattung der neuen Kontrollinstanzen zu bewältigen sein. In gleicher Weise werden auch die komplementären Bereiche des Bundesnachrichtendienstes durch die erforderlichen zusätzlichen Kapazitäten zu verstärken sein, die nicht auf Kosten der bestehenden, in der Regel ohnehin limitierten operativen Befähigungen aufgestellt werden dürfen. Hier muss bereits im Gesetzgebungsverfahren auf erhebliche Investitionen in zusätzliches Personal und Infrastruktur ebenso hingewirkt werden, wie auch auf einen Mechanismus ihrer ständigen Überprüfung auf Zweckdienlichkeit und Angemessenheit.

Vor diesem Hintergrund unterstreicht der GKND nochmals die Dringlichkeit einer nicht nur juristischen Erörterung, sondern auch einer konsequenten und umfassenden Prüfung der Neuregelungen des aktuellen Gesetzentwurfs im Rahmen der anstehenden Anhörungen und Beratungen im Deutschen Bundestag auf ihre praktische und operative Sachgerechtigkeit. Diese bilden die notwendige Grundlage für die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit des Dienstes, die in unser aller Interesse sein sollte.


Dr. Hans-Dieter Herrmann

Vorsitzender

 
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