Die Politisierung von US-Militär und Nachrichtendiensten

Konsequenzen für die USA und ihre Verbündeten


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Holger Lehmann, GKND Mitglied und Militärexperte

Das Verhältnis zwischen den US-Streitkräften und der Zivilgesellschaft ist seit jeher von zentraler Bedeutung für die nationale Sicherheit der USA. Gerade weil das Militär dem Oberbefehl des US-Präsidenten unterstellt ist, müssen die US-Streitkräfte ihre Professionalität und Glaubwürdigkeit als überparteiliche, letztlich allein der Verfassung und ihren Prinzipien verpflichtete Institution bewahren. Dieses empfindliche Gleichgewicht ist historisch gewachsen und institutionell teilweise in der Verfassung verankert:

„We take an oath to the Constitution and we take an oath to the idea that is America, and we're willing to die to protect it.”

Zwischenzeitlich hat sich die zunehmende Politisierung der Streitkräfte jedoch zur größten Herausforderung für die zivil-militärischen Beziehungen der USA entwickelt. Sie manifestiert sich unter anderem in der Instrumentalisierung aktiver Militärangehöriger, Truppenentsendungen zu innenpolitischen Zwecken oder parteipolitischem Aktivismus pensionierter Offiziere. Sie steht damit im Gegensatz zum traditionellen Prinzip unparteiischer Streitkräfte, das sich erstmals durch George Washingtons Rücktritt als Oberbefehlshaber der Kontinentalarmee und erneut durch Präsident Trumans Entlassung von General MacArthur bekräftigt wurde. Diese Politisierung hat bereits die operative Leistungsfähigkeit der Streitkräfte geschwächt, das Vertrauen der Bevölkerung in die US-Streitkräfte untergraben und bedroht, wenn sie ungehindert fortgesetzt wird, die Wirksamkeit ziviler Kontrolle. Dieser Trend geht in jüngerer Zeit über die Streitkräfte hinaus und umfasst einen Großteil der föderalen Sicherheits- und Nachrichtendienste der USA. Die gesamte nationale Sicherheitsarchitektur steht vor erheblichen Umbrüchen, mit Konsequenzen auch für die Sicherheitsinteressen der Verbündeten.

Historischer und aktueller Rahmen

Die apolitische Tradition der US-Streitkräfte geht auf George Washingtons Farewell Orders to the Continental Army im November 1783 zurück, in dem er den Dienst an der Republik und nicht an einem einzelnen Führer betonte. Seine Farewell Address von 1796 zum Ende seiner zweiten Amtszeit als erster Präsident der jungen USA gilt bis heute als politischer und gesellschaftlicher Leitfaden zum Schutz der Republik. Washington hob darin die Bedeutung von Parteineutralität, nationaler Einheit und ziviler Kontrolle über das Militär hervor. Während des US-amerikanischen Bürgerkrieges behielt Präsident Lincoln die politische Kontrolle über das Militär und stützte seine Autorität dabei auf die ihm nach Artikel 2 der Verfassung verliehenen Befugnisse. Seine Bekräftigung der Vorrangstellung ziviler Führung und seine Weigerung, die Streitkräfte zu politisieren, unterstreichen Washingtons Plädoyer für ein unpolitisches Militär in den Diensten der Republik. Präsident Truman bekräftigte diesen Grundsatz, als General MacArthur ihn öffentlich herausforderte. Trumans entschlossene, aber umstrittene Entscheidung, den in der US-amerikanischen Öffentlichkeit als Helden gefeierten MacArthur 1951 zu entlassen, bekräftigte die strikte Trennung von politischer Autorität und militärischer Führung. In heutiger Zeit steht dieser Grundsatz erneut vor großen Herausforderungen. Zentrale, wenn auch tragische, Figur ist General a.D. Mark Milley. Bis September 2023 war er als Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs der wichtigste militärische Berater des US-Präsidenten. Sein Auftritt in Uniform am 1. Juni 2020 im Gefolge Präsident Trumps auf dem Washingtoner Lafayette Square im Kontext der George-Floyd-Proteste markierte einen kritischen Punkt. Zwar entschuldigte sich Milley später öffentlich, doch die Wahrnehmung einer politischen Einmischung des Militärs war geweckt – und der Zweifel an der politischen Neutralität der US-Streitkräfte war gesät. Das Bekanntwerden der beiden Telefonate mit seinem chinesischen Counterpart am 30. Oktober 2020 sowie am 8. Januar 2021 – zwei Tage nach dem Sturm auf das US-Kapitol – rückte ihn erneut in den Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit und politischer Kritik. Nur Stunden nach Präsident Trumps zweiter Amtseinführung wurde General a.D. Milleys Portrait aus den Gängen des Pentagons entfernt. Neun Tage später widerrief Verteidigungsminister Hegseth Milleys Personenschutz und Sicherheitsfreigabe und leitete eine öffentliche Untersuchung seines dienstlichen Verhaltens ein, die prüfen soll, ob eine mögliche Dienstgradherabstufung gerechtfertigt ist. Milley, der während seiner Amtszeit wiederholt Versuche politischer Einflussnahme auf das Militär kritisierte und die Eidestreue zur Verfassung statt zu einer Person betonte, sieht sich nun im Kontext dieser mutmaßlichen Politisierung mit kritischer öffentlicher Aufmerksamkeit und administrativen Maßnahmen konfrontiert.

Im Jahr 2023 protestierte der republikanische Senator Tommy Tuberville gegen eine Weisung des US-Verteidigungsministeriums, die es Angehörigen der Streitkräfte erlaubte, Abtreibungsreisen auf Kosten der Regierung durchzuführen, wenn ein Schwangerschaftsabbruch im jeweiligen Garnisons-Bundesstaat nicht legal oder verfügbar war. Mehr als zehn Monate lang blockierte er die Beförderung von über 440 hochrangigen Offizieren und verzögerte dadurch die Nachbesetzung wichtiger Dienstposten. Tubervilles parteipolitische Blockadehaltung beeinträchtigte die operative Einsatzbereitschaft der Streitkräfte und rief parteiübergreifend Stimmen hervor, die darin eine Instrumentalisierung des Militärs zu innenpolitischen Zwecken sahen. Dieser Vorwurf wurde erneut im Zuge der Ernennung von Rebecca Hodson – einer politischen Beraterin der Republikanischen Partei in North Carolina – zur neuen Chief of Public Affairs der US Army im Juli dieses Jahres laut. Die erstmalige Ernennung einer Zivilistin im Rahmen einer Umstrukturierung der Kommunikationsabteilung rief Bedenken hinsichtlich einer möglichen Politisierung der militärischen Kommunikation hervor. Ähnlich verhielt es sich im Zuge der öffentlichen Debatte über den wiederholten Einsatz militärischer Einheiten in US-amerikanischen Großstädten als Symbole politischer Autorität. Auch das Militär selbst erhöht zunehmend die Zweifel an seiner politischen Neutralität. Das von Beobachtern als parteiisch wahrgenommene Verhalten uniformierter Angehöriger der US-Streitkräfte während Präsident Trumps Rede in Fort Bragg am 8. Juni dieses Jahres verdeutlicht dies. Es zeigt sowohl die Nutzung militärischer Einrichtungen für parteipolitische Kampagnen als auch Hinweise auf eine Erosion des traditionellen Grundsatzes politischer Neutralität in den Streitkräften. Der politische Aktivismus ehemaliger Spitzenmilitärs – etwa die Unterstützung oder Ablehnung politischer Kandidaten, die Beteiligung an Wahlkämpfen oder das Anstreben politischer Ämter – verstärkt diese Wahrnehmung.

Gegenwärtige Auswirkungen auf die nationale Sicherheit und Verteidigung der USA

Diese zu beobachtende Politisierung der US-Streitkräfte hat erhebliche Folgen für die nationale Sicherheit der USA. Eine unmittelbare Auswirkung ist das nachlassende öffentliche Vertrauen in die Streitkräfte. Während diese in der Vergangenheit ein hohes Maß an öffentlicher Wertschätzung und parteiübergreifendem Vertrauen genossen haben, beginnt dieses Vertrauen mit der als zunehmend wahrgenommenen Politisierung zu schwinden. Die Legitimität der Freiwilligenarmee wird dadurch geschwächt, und die bestehenden Herausforderungen in Personalgewinnung und -bindung verschärfen sich zusätzlich. Darüber hinaus untergräbt die Politisierung des Militärs die zivil-militärische Entscheidungsfindung, indem sie die öffentliche Skepsis gegenüber dem militärischen Ratschlag verstärkt. Infolgedessen können strategische Empfehlungen, unabhängig von ihrem fachlichen Wert oder ihrer Expertise, als politisch motiviert abgewertet und ignoriert werden. Umgekehrt könnten Militärangehörige künftig davon absehen, offen zu sprechen und konstruktiv-kritisch zu beraten, aus Sorge, dass ihre Einschätzungen falsch interpretiert oder politisiert werden. Zusammengenommen verwischen diese Dynamiken die normativen Grenzen der zivil-militärischen Beziehungen. Sie bergen die Gefahr, dass sich eine strategische Inkohärenz wiederholt, wie sie während des Vietnamkrieges zu beobachten war: Damals drifteten politisches und militärisches Kalkül auseinander, verhinderten eine kohärente, erfolgversprechende Gesamtstrategie und führten zu erheblichem Vertrauensverlust sowie zu einer tiefen Spaltung der Gesellschaft. Darüber hinaus geht dieser Politisierungstrend über die oberste Führungsebene hinaus und durchdringt die gesamten Streitkräfte. Die Bemühungen um die Werbung und Bindung neuen Personals stehen vor zunehmenden Herausforderungen, da die Wahrnehmung der Parteilichkeit des Militärs zunimmt und das grundlegende Ideal einer unpolitischen Institution untergräbt. Die Moral unter den Soldaten könnte angesichts der Sorge um politische Instrumentalisierung oder offen ausgetragener politischer Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Kameradenkreises sinken. Außen- und innenpolitische Gegner können diesen Trend wiederum ausnutzen, um die Glaubwürdigkeit der USA durch Narrative über innere Zwietracht und institutionelle Schwäche zu untergraben.

Potenzielle Auswirkungen

Bleibt diese Politisierung unbeantwortet, drohen langfristig schwerwiegendere Konsequenzen: Werden die US-Streitkräfte weiterhin als Instrument parteipolitischer Interessen wahrgenommen, riskieren sie, ihre Legitimität als neutrale Verteidiger der Nation einzubüßen. Ein solcher Vertrauensverlust würde sowohl die öffentliche Unterstützung als auch die institutionelle Wertschätzung nachhaltig schwächen. Zugleich würden sich bestehende Nachwuchsprobleme verschärfen, die operative Einsatzbereitschaft sinken und die Streitkräfte verstärkt parteipolitischen wie feindseligen Einflussfaktoren ausgesetzt sein. Zusätzliches Eskalationspotenzial liegt in politischen Unruhen, die durch den wiederholten Einsatz der Streitkräfte innerhalb der USA ausgelöst oder verstärkt werden könnten. Derartige Einsätze könnten einen aufwieglerischen Effekt auf diejenigen Bevölkerungsteile ausüben, welche die Streitkräfte als Instrument parteipolitischer Machtausübung wahrnehmen. Mit dem Vertrauen der gesamten Streitkräfte würde auch die Glaubwürdigkeit ihres Spitzenpersonals leiden. Dadurch könnte die Fähigkeit hochrangiger Militärführer beeinträchtigt werden, in nationalen Krisenzeiten unparteiische und professionelle Beratung zu leisten – insbesondere dann, wenn sie unfreiwillig oder fahrlässig in politische Auseinandersetzungen verwickelt werden. Letztlich stellt die Politisierung der Streitkräfte eine anhaltende Bedrohung für die Glaubwürdigkeit der Abschreckung der USA dar. Gegner könnten die parteipolitische Kontrolle über das Militär als Zeichen innerer Instabilität und demokratischen Verfalls deuten. Die Legitimität der USA als Garant einer regelbasierten Ordnung würde untergraben, und gegnerische Narrative würden gleichzeitig gestärkt. Derartige Wahrnehmungen laden Rivalen zu strategischen Sondierungen ein, um die Entschlossenheit der USA zu prüfen und institutionelle Spaltungen auszunutzen. Gleichzeitig untergraben sie die Prinzipien ziviler Kontrolle, verstärken Spannungen zwischen Amtsträgern und den Streitkräften und gefährdeten sowohl die strategische Kohärenz als auch die demokratische Rechenschaftspflicht.

Binnenpolitische Kaskadeneffekte

Was zunächst wie ein isoliertes Problem der Streitkräfte erscheint, entfaltet zunehmend systemische Effekte, die auch andere Sicherheitsbehörden erfassen. Bereits in den ersten Monaten von Trumps zweiter Amtszeit traten binnenpolitische Folgen einer fortschreitenden Politisierung des Militärs zutage.

Die Erosion des Neutralitätsprinzips greift inzwischen auf Sicherheitsbehörden wie das FBI, die CIA und das Department of Homeland Security (DHS) über. Erste Hinweise deuten auf eine asymmetrische Bewertung institutioneller Legitimität hin, die sich zunehmend entlang parteipolitischer Linien vollzieht. Diese Entwicklung zeigt sich exemplarisch in der Entlassung des Direktors der National Security Agency (NSA), General Timothy Haugh, sowie seiner Stellvertreterin Wendy Noble im April 2025. Beide galten als erfahrene und bislang unpolitisch wahrgenommene Führungskräfte, wurden jedoch unter öffentlichem Druck parteipolitisch rechter Aktivisten, insbesondere Laura Loomer, abgesetzt. Von Beobachtern wurde diese Maßnahme als politisch motiviert bewertet. Weitere Fälle folgten seitdem. Im Mai 2025 wurden Mike Collins, stellvertretender und zugleich amtierender Vorsitzender des National Intelligence Council (NIC), sowie Maria Langan-Riekhof, Leiterin der Strategic Futures Group im NIC, aus ihren Funktionen entfernt. Beide galten als zentrale Figuren der überparteilichen Bewertung globaler Trends und sicherheitspolitischer Entwicklungen. Ihre Versetzung erfolgte unmittelbar nach Veröffentlichung eines internen NIC-Memos, das zentralen sicherheitspolitischen Narrativen der Trump-Administration widersprach und als Positionierung gegen Präsident Trump gedeutet wurde. Die Maßnahme wird seitdem – unter anderem vom Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses des Senats, Senator Mark Warner (Demokratische Partei) – als parteipolitisch motivierter Eingriff in die analytische Unabhängigkeit des NIC gewertet. Im August 2025 erfolgte mit der Entlassung von Lieutenant General Jeffrey Kruse, Direktor der Defense Intelligence Agency (DIA), das nächste Beispiel für die systemische Reichweite parteipolitischer Einflussnahme. Kruse galt als erfahrener Geheimdienstoffizier mit überparteilichem Profil. Seine Absetzung erfolgte im zeitlichen Zusammenhang mit einer Veröffentlichung seiner Behörde, in der die zentralen Aussagen der Trump-Administration zur Wirksamkeit von Luftschlägen gegen iranische Nuklearanlagen relativiert wurden. Der nächste derartige Fall scheint sich bereits anzudeuten, nachdem Laura Loomer öffentlich Senator Mark Warner und den Direktor der National Geospatial Intelligence Agency (NGA), Vice Admiral Frank Whitworth, angriff. Ein seit Wochen geplanter Routinebesuch von Senator Warner bei der NGA wurde nach Loomers Angriffen Anfang September 2025 kurzerhand durch das Büro des zuvor gerade umbenannten US-„Kriegsministers“ unterbunden.

Die beschriebenen Fälle verdeutlichen, wie parteipolitisch motivierte Eingriffe in US-Sicherheitsbehörden nicht nur deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen, sondern auch deren institutionelle Glaubwürdigkeit systematisch untergraben. Dieses Muster hat sich seit Beginn von Trumps zweiter Amtszeit verdichtet und verweist auf einen strukturellen Legitimitäts- und Vertrauensverlust. Die Entlassung des NSA-Direktors und seiner Stellvertreterin trägt ebenso zum Vertrauensverlust in die institutionelle Unabhängigkeit der US-Sicherheitsbehörden bei wie die jüngste, öffentlich als Purge bezeichnete, Entlassungswelle innerhalb des FBI vom 8. August 2025. So mussten unter anderem wegen ihrer Rolle in der Aufarbeitung des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021 der Leiter des FBI Field Office Washington, D.C., Steven Jensen, und der leitende FBI-Agent in Washington, D.C., Walter Giardina, gehen. Gleiches galt für den ehemaligen kommissarischen FBI-Direktor Brian Driscoll, nachdem er sich gegen den politischen Druck zur Herausgabe der an den 6. Januar-Ermittlungen beteiligten Agenten gewehrt hatte. Ebenfalls am 8. August entlassen, wurde mit Spencer Evans, ohne öffentliche Angabe von Gründen, der Leiter des FBI Field Office Las Vegas entlassen. Die genannten Maßnahmen gelten als politisch motiviert und markieren einen weiteren Bruch mit etablierten Prinzipien institutioneller Unabhängigkeit. Gleiches galt für den bereits im Frühjahr 2025 erfolgten Widerruf von insgesamt 37 Sicherheitsfreigaben für aktive und ehemalige Mitarbeiter des FBI, des Departments of Justice (DOJ), der CIA und der NSA, ehemalige Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrats sowie mehrere Sonderermittler und Staatsanwälte, die in Verfahren gegen Trump-nahe Akteure involviert waren. Die Anklage gegen den ehemaligen FBI-Direktor James Comey am 25. September 2025 gilt als Höhepunkt einer politisch motivierten Kampagne. Sie erfolgte nur wenige Tage nach öffentlichen Aufrufen Trumps zur strafrechtlichen Verfolgung Comeys und anderer politischer Gegner. Mehrere Juristen hatten zuvor mangels ausreichender Beweislage von einer Anklage abgeraten. Die nunmehr klageführende Staatsanwältin Lindsay Halligan war bislang vor allem bekannt durch ihre Rolle als Verteidigerin Trumps in mehreren zivilrechtlichen Verfahren. Ihre Ernennung als Staatsanwältin ohne entsprechende berufliche Qualifikation erfolgte nur wenige Tage, nachdem der zuständige, nunmehr abgelöste Staatsanwalt eine Klageerhebung verweigert hatte. Kritiker, wie erneut Senator Mark Warner, sehen darin eine Instrumentalisierung der Justiz, um politische Gegner zu verfolgen und einzuschüchtern. Ein Scheitern des Verfahrens – ebenso wie ein Erfolg unter dem Eindruck politischer Einflussnahme – würde die Glaubwürdigkeit des DOJ sowie die Unabhängigkeit der Justiz massiv gefährden.

Die zunehmende Politisierung des US-Militärs ist damit nur ein Teil machtpolitischer Verschiebungen, die vor anderen Bereichen der US-Sicherheitsarchitektur nicht Halt machen. Bereits mittelfristig kann diese Entwicklung negative Auswirkungen auf die Personalgewinnung und Binnenstruktur entfalten. Bewerber mit ausgeprägtem professionellem Ethos könnten sich gegen eine Bewerbung entscheiden oder im Bewerbungsverfahren an ideologischen Konformitätsprüfungen scheitern. Das innerbehördliche Klima wird durch Unsicherheit, Loyalitätskonflikte und politisch motivierte Entlassungen beeinträchtigt. Die Diversität, Leistungsfähigkeit und institutionelle Unabhängigkeit werden dadurch geschwächt. Die Vulnerabilität gegenüber externen Einflüssen wird erhöht und die Fähigkeit zur strategischen Selbstkorrektur gleichzeitig geschwächt. Die beschriebenen Fälle verdeutlichen ebenfalls eine verstärkte Instrumentalisierung durch politische Akteure. Sicherheitsbehörden werden durch politisch motivierte Personalentscheidungen zunehmend zum Hebel für die Durchsetzung einer parteipolitischen Agenda.

Kooperationsprobleme und Machtverschiebungen

Der Government-Shutdown verdeutlicht die Funktion der Haushaltspolitik als strategischer Hebel parteipolitischer Einflussnahme. Von einem möglichen Shutdown weniger betroffen sind vor allem die US-Streitkräfte und jene Sicherheitsbehörden, in denen die meisten als politisch motiviert wahrgenommenen Personalwechsel stattgefunden haben. Trumps „One Big Beautiful Bill“ sichert diesen Behörden eine privilegierte Mittelzuweisung zu und verstärkt durch diese Form der Ressourcenallokation die strukturelle Asymmetrie innerhalb der US-Sicherheitsarchitektur. Fiskalische und dadurch strategische Vorteile erhalten demnach augenscheinlich diejenigen Behörden, deren Führung als politisch konform wahrgenommen wird. Stellenstreichungen und politisch motivierte Entlassungen führen zumindest kurzfristig zu operativen Einschränkungen. Berichte etwa über vakante Führungspositionen und sinkende Moral in der Cybersecurity and Infrastructure Agency (CISA) und damit einer der gerade in der Abwehr russischer und chinesischer Angriffe entscheidenden Cyber Abwehrbehörden des Landes, verdeutlichen dies. Mit zunehmender und immer offener zur Schau gestellter Politisierung von Streitkräften und Sicherheitsbehörden wachsen die Fragmentierung und das gegen-seitige Misstrauen. Koordinationsprobleme und strukturelle Instabilität sind die Folge. Die institutionellen Kontrollmechanismen (Checks and Balances) werden so schrittweise unterminiert. und verschieben sich zugunsten der Exekutive, wie die Beispiele des NIC und die direkte Einflussnahme des Director of National Intelligence auf Spitzenpersonal verdeutlichen.

Internationale Effekte

Die beschriebenen Entwicklungen beeinflussen nicht nur die Zusammenarbeit zwischen US-Sicherheitsbehörden, sondern auch deren internationale Anschlussfähigkeit. Partner und Verbündete – insbesondere NATO-Staaten – könnten Zweifel an der Verlässlichkeit sicherheitsbehördlicher Produkte aus den USA entwickeln. Die bereits beobachtbare institutionelle Instabilität wirkt sich negativ auf die operative Leistungsfähigkeit aus. Sie unterminiert zugleich die Glaubwürdigkeit gemeinsamer Lagebilder und Risikoanalysen. Der Verdacht mangelnder politischer Neutralität gefährdet die Integrität transnationaler Zusammenarbeit. Selektive Informationsweitergabe, strategische Zurückhaltung oder parteipolitisch gefärbte Lagebilder könnten die Glaubwürdigkeit US-sicherheitsbehördlicher Produkte untergraben. Reputationsverlust, Informationszurückhaltung oder gar Entkoppelung sind plausible Folgewirkungen und beträfen nicht nur das NATO Intelligence Fusion Centre und die Five Eyes, sondern auch bilaterale Austauschformate mit europäischen Ländern.

In diesem Zusammenhang sind bereits erhebliche Irritationen innerhalb des bedeutenden anglo-amerikanischen Intelligence-Verbunds der Five Eyes entstanden, aus dem sich die USA zum Thema Ukraine offenbar zurückgezogen haben40. Europäische Sicherheitsbehörden sind – insbesondere im Bereich SIGINT, Cyberabwehr und strategischer Früherkennung – in hohem Maße auf US-Fähigkeiten und Produkte angewiesen. Dies betrifft technische Plattformen wie analytische Produkte gleichermaßen. Eine entsprechende Schwächung der institutionellen Integrität relevanter US-Sicherheitsbehörden gefährdet demnach auch mittelbar die europäische Sicherheit. Adverse Staaten und Regime könnten diese Entwicklungen als Modell für eigene suppressive Sicherheitsarchitekturen nutzen und sie als Indikator staatlicher Instabilität deuten. Strategische Sondierungen, ähnlich den überwiegend russischen Bemühungen zur Schwächung des Zusammenhalts von NATO und Europäischer Union, könnten mit dem gesamten Spektrum hybrider Kriegsführung auch auf die innere Stabilität der USA abzielen. Russische Desinformationsbemühungen und iranische Cyberoperationen würden dadurch ebenso gestärkt wie das chinesische Narrativ westlicher Dekadenz und institutioneller Zersetzung. Die Glaubwürdigkeit der USA geriete dadurch nur noch weiter ins Wanken. Der strategische Paradigmenwechsel, wie er sich im Entwurf der National Defense Strategy 2025 bereits abzeichnet, signalisiert eine Abkehr von globalem sicherheitspolitischem Engagement zugunsten einer innenpolitisch fokussierten Sicherheitsarchitektur. Eine noch zu erstellende National Security Strategy unter Trump II wird diesen Kurs voraussichtlich institutionell verankern. Die neue strategische Ausrichtung wird sich mutmaßlich weiterhin an einer MAGA-getriebenen Priorisierung innenpolitischer Schwerpunktthemen orientieren. Die Grenzsicherung, innerstaatliche Ordnung, die Bekämpfung von Drogen und illegaler Migration, aber auch der Ausbau ideologischer Kohärenz stünden dabei im Vordergrund. Auch die exekutive Kontrolle über Sicherheitsbehörden und Militär würde weiter ausgebaut werden. Eine derartige Reorientierung hätte weitreichende Folgen für die internationale Anschlussfähigkeit der USA an multinationale Sicherheitsformate.

Langfristige Auswirkungen

Sollte die Trump-Administration ihren sicherheitspolitischen Ankündigungen tatsächlich Taten folgen lassen und die US-Streitkräfte vermehrt als „schnelle Eingreiftruppe gegen den Feind im Inneren“ einsetzen, markierte dies eine strategische Zäsur in den zivil-militärischen Beziehungen.

Eine solche Praxis hätte – insbesondere in der öffentlichen Wahrnehmung – eine Normalisierung militarisierter Sicherheitspolitik zur Folge. Die funktionale Umwidmung militärischer Kräfte für innenpolitische Zwecke würde die konstitutionelle Trennung zwischen innerer Gefahrenabwehr und äußerer Sicherheit grundlegend infrage stellen. Gleichzeitig wäre sie Ausdruck fortwährender exekutiver Bemühungen, die Gewaltenteilung zu ihren Gunsten zu verschieben. Diese Tendenz wird nicht nur durch die bereits beschriebenen Entwicklungen gestützt, sondern auch durch die anhaltenden Debatten um die Hürdensenkungen beim Insurrection Act45 oder Trumps Executive Orders zu Reorganisation des Departments of Homeland Security und des Departments of Justice. Die Quantico-Ansprachen von Trump und Hegseth am 30. September deuten eine zunehmende parteipolitische Instrumentalisierung der US-Streitkräfte und anderer Sicherheitsbehörden bereits an. Militärs und Sicherheitskräfte laufen damit Gefahr, zukünftig vermehrt zwischen professioneller Pflichterfüllung und parteipolitischen, wenn nicht auf eine Person orientierten Loyalitätserwartungen entscheiden zu müssen. Diese Ambivalenz könnte nicht nur das zwischenbehördliche Vertrauensverhältnis weiter unterminieren, sondern auch in Krisenfällen zu eingeschränkter Handlungsfähigkeit führen. Eine zunehmende oder zumindest anhaltende Politisierung der US-Streitkräfte würde demnach als Multiplikator von Vertrauens- und Kooperationskrisen von Sicherheitsbehörden wirken. Das etablierte und traditionell starke, parteiübergreifende überparteiliche Fundament droht zu erodieren. Die ausgelösten Kaskadeneffekte würden sich rasch über die US-Landesgrenzen auf internationale Sicherheitsstrukturen ausweiten. Schon jetzt sollten sie daher deutschen und europäischen Sicherheitsbehörden mahnender Vorbote sein.

Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa bieten bislang wirksame Schutzmechanismen gegen parteipolitische Einflussnahme auf Streitkräfte und Sicherheitsbehörden. Dennoch darf Stabilität nicht als Garant für Immunität missverstanden wer-den. Die jüngsten Entwicklungen in den USA zeigen, wie rasch selbst etablierte normative Schutzmaßnahmen zur Zielscheibe exekutiver Einflussnahme werden können. Wenn politische Akteure systematisch an ihrer Aushöhlung arbeiten, können auch stabile Normen unter Druck geraten.

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“Developing National Security Structures: Examples from the UK”