Forschungseinrichtungen und Programme
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Nachrichtendiensten hat sich international sehr unterschiedlich entwickelt. Während im angloamerikanischen Raum seit Jahrzehnten spezialisierte Forschungszentren, akademische Programme und Think-Tanks etabliert sind, verlief die Entwicklung in Deutschland und vielen europäischen Staaten deutlich zögerlicher. Gründe hierfür liegen vor allem in einer politischen Kultur, die Geheimdiensten traditionell mit Zurückhaltung, Skepsis und einem starken Fokus auf Kontrolle begegnet. Erst in den letzten Jahren entstanden auch hierzulande einzelne Forschungsinitiativen, die Intelligence Studies als eigenständiges Feld der Wissenschaft etablieren wollen.
Die nachfolgende Übersicht stellt zentrale Forschungseinrichtungen, Programme und Netzwerke in Deutschland, Europa sowie im angloamerikanischen Raum vor. Sie umfasst universitäre Forschungszentren, spezialisierte Think-Tanks, internationale Kooperationsprojekte und innovative Plattformen, die den Dialog zwischen Wissenschaft, Politik, Praxis und Öffentlichkeit fördern. Damit eröffnet sie einen Zugang zu den maßgeblichen Akteuren, die Intelligence Studies global prägen, weiterentwickeln und durch interdisziplinäre Forschung vorantreiben.
Inhalt
Deutschland
Center for Intelligence and Security Studies (CISS)
Forschungszentrum zur nachrichtendienstlichen und sicherheitspolitischen Forschung der Universität der Bundeswehr, München. Als Ziele werden die Förderung interdisziplinärer Forschungsaktivitäten, die Organisation und Koordination des Masterstudiengangs in Intelligence and Security Studies (MISS) sowie die Beratung politischer Führungskräfte auf dem Gebiet der Sicherheitsforschung, benannt. Darüber hinaus soll das CISS als gemeinsame Plattform einen aktiven Beitrag zur globalen Vernetzung der wichtigsten Akteure im Sicherheitsbereich leisten.
International Intelligence History Association (IIHA)
Internationale Forschungsvereinigung, Gründerin des Journal of Intelligence History.
Learning Intelligence: The Exchange of Secret Service Knowledge between Germany and the Arab Middle East 1960 – 2010, Leibniz Zentrum Moderner Orient, Berlin.
Die Forschungsgruppe Learning Intelligence untersucht und analysiert den Austausch von Geheimdienstwissen zwischen deutschen und arabischen Nachrichtendiensten zwischen 1960 und 2010.
About: Intel - European Voices on Surveillance
Online-Blog, redaktionell betreut von der Stiftung Neue Verantwortung, Berlin. Vor dem Hintergrund hochspezialisierter Akteure in der modernen Geheimdienstpolitik, die sich schwer tun, miteinander zu sprechen, möchte about:intel einen Raum für Austausch, Lernen und Diskussion bieten. Zu diesem Zweck möchte man einen konstruktiven Dialog zwischen allen Beteiligten, von Sicherheitsexperten bis zu Menschenrechtsaktivisten, von Wirtschaftsvertretern bis zu Akademikern, von einzelnen Geheimdienstaufsehern bis zu Anwaltskammern und von Journalisten bis zu Gesetzgebern, fördern. Ziel dabei sei insbesondere:
Fachbeiträge von Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet mit einer Zugänglichkeit zu verbinden, die jeden Interessierten anspricht,
das gegenseitige Verständnis und den Respekt zwischen den Beteiligten zu fördern,
zur Entwicklung einer aufmerksamen und integrierten europäischen Öffentlichkeit im Bereich der Nachrichtendienste beitragen
Europäische Programme
Centre Français de Recherche sur le Renseignement (CF2R)
Französischer Think-Tank zu Intelligence Studies, Paris, Frankreich. Das CF2R wurde im Jahr 2000 gegründet und ist ein unabhängiger Think Tank, der sich auf das Studium der Geheimdienste und der internationalen Sicherheit spezialisiert hat. Seine Ziele sind:
Entwicklung von wissenschaftlicher Forschung und Veröffentlichungen zu Nachrichtendiensten und internationaler Sicherheit
Bereitstellung von Fachwissen zugunsten von Interessenträgern in der öffentlichen Politik (Entscheidungsträger, Verwaltung, Parlamentarier, Medien usw.)
Die Arbeit von Nachrichten- und Geheimdiensten zu entmystifizieren und zu einem besseren Verständnis seiner Rolle in der Öffentlichkeit beitragen.
Sciences Po - Centre d’histoire, METIS groupe de recherche sur le renseignement, Paris, Frankreich, Forschungsgruppe zu Nachrichtendiensten.
Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies (ACIPSS)
Österreichischer Think Tank, Herausgeber des Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies, Graz, Österreich. Das ACIPSS ist ein gemeinnütziges Forschungszentrum, das mit der Karl-Franzens-Universität Graz kooperiert. Seit fast zwei Jahrzehnten betreibt ACIPSS interdisziplinäre Forschung zu Fragen regionaler und internationaler Sicherheit. Der Fokus liegt dabei auf der Erforschung von Geheim- und Nachrichtendiensten (Intelligence Studies), Propaganda und sicherheitsbezogener Fragestellungen, u.a. hybride Bedrohungen, Terrorismus, radikale Ideologien, Konflikte, Krisen und Kriege.
European Intelligence Academy (EIA), Athen, Griechenland
Die EIA deklariert folgende Ziele:
Förderung einer starken Nachrichtendienstkultur in Europa und seinen liberaldemokratischen Partnern.
Förderung der grenzüberschreitenden Forschungs- und Wissenschaftskooperation zwischen Geheimdienstwissenschaftlern in Europa und Nordamerika sowie mit Wissenschaftlern in anderen Teilen der Welt.
Hervorhebung der Arbeit von Nachwuchswissenschaftlern auf dem Gebiet der Nachrichtendienstforschung und Bereitstellung eines Forums für den Gedankenaustausch und die Durchführung relevanter Forschungsprojekte.
Entwicklung und Verbreitung von Lehrplänen für nachrichtendienstliche Studien an Universitäten sowie Förderung bewährter Verfahren für die reine und angewandte Nachrichtendienste.
International Center for Counter-Terrorism (ICCT) - Military&Intelligence, Den Haag, Niederlande
Forschungsabteilung mit Fokus auf militärischem Nachrichtenwesen. Der Schwerpunkt im Military&Intelligence-Programm des ICCT liegt auf der Frage, wie eine breit angelegte militärische Intervention in eine langfristige Terrorismusbekämpfungspolitik umgewandelt werden kann, die sich darauf konzentriert, die Bedrohung durch terroristische Gruppen zu mindern, die Kapazitäten des Aufnahmelandes zu stärken und einige der Ursachen von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus zu bekämpfen. Die Nachrichtendienste spielen eine wichtige Rolle bei der Überwachung und Bewertung der Bedrohung; ICCT untersucht, wie Nachrichtendienste die Wirksamkeit der Terrorismusbekämpfung verbessern können.
King’s Intelligence and Security Group (KISG), King’s College London (KCL), Großbritannien.
Die KCL Intelligence and Security Group bietet ein Forum für gemeinsame Forschung und Networking zwischen den Dozent:Innen und Doktorand:Innen der War Studies, externen Partnern und angeschlossenen Institutionen sowie Praktikern, die im Bereich der Nachrichtendienste arbeiten. Es soll eine Forschungsgemeinschaft zusammengebracht werden, deren Fachwissen von der Geschichte des militärischen und zivilen Nachrichtendienstes bis hin zu aktuellen nachrichtendienstlichen Themen wie Aufsicht, Privatisierung und internationale Verbindungen reicht. Durch ein aktives Programm von Veranstaltungen, Expertenworkshops und angewandter Forschung sollen die öffentliche Diskussion über Schlüsselfragen der Nachrichtendienste befördert werden.
Royal United Services Institute (RUSI) Technology, Security and Intelligence Program (TISP), London, Großbritannien.
Der Forschungsbereich TSIP befindet sich an der Schnittstelle zwischen neuen Technologien, nationaler Sicherheit und (britischer) Geheimdienstpolitik.
Brunel Center for Intelligence and Security Studies (BCISS), Brunel University, London,
Großbritannien.
Das BCISS ist ein universitäres, interdisziplinäres Forschungszentrum, das im Vereinigten Königreich gegründet wurde, um sich speziell mit nachrichtendienstlichen Fragen, Politik und Institutionen zu befassen und um sozialwissenschaftliche und politikorientierte Ansätze im Bereich der Nachrichtendienste zu fördern und zu entwickeln.
Als Ziele werden insbesondere benannt:
Bereitstellung eines Exzellenzzentrums für Forschung und Veröffentlichung im Bereich
Nachrichtendienste und Sicherheit.
Entwicklung und Durchführung eines erstklassigen Ausbildungsprogramms für Hochschulabsolventen im Bereich Nachrichtendienste und Sicherheitsstudien.
Beratung des öffentlichen und privaten Sektors in nachrichtendienstlichen Angelegenheiten.
Beitrag zur Aufklärung der Öffentlichkeit und Beratung zu nachrichtendienstlichen Fragen über die Nachrichtenmedien und andere Medien, die die Öffentlichkeit erreichen.
Buckingham University Center for Security and Intelligence Studies, (BUCSIS), Buckingham, Großbritannien.
Atlantic Council Intelligence research
Atlantic Council, Washington D.C., USA
Brookings Institution - Intelligence Community
Forschungsabteilung, Washington D.C., USA
Council on Foreign Relations (CFR) - Intelligence publications
Dem Council wird seit seiner Entstehung eine herausragende Funktion im Formulierungsprozess außenpolitischer Strategien zugesprochen und er gehört mit den mit dem CFR eng verwobenen Chatham House und Carnegie Endowment for International Peace zu den vier weltweit einflussreichsten privaten Think Tanks; Forschungsschwerpunkt Defense and Security, Intelligence, New York City, USA.
Belfer Center for Science and International Affairs (Harvard University) Intelligence Project – Cambridge, USA.
Das Intelligence Project hat es sich zum Ziel gesetzt eine neue Generation von Nachrichtendienstmitarbeitern aufbauen. Eine Generation, die darauf vorbereitet ist, auch in einer sich schnell verändernden Welt künftigen politischen Entscheidungsträgern und Nachrichtendienstkonsumenten helfen. Aufbauend auf der multidisziplinären Forschung am Belfer Center, die von Geschichte über Menschenrechte bis hin zu Cybertechnologien reicht, verbindet das Intelligence Project Nachrichtendienste mit Belfer-Forschern, Dozenten und Studenten der Kennedy School, um deren Ausbildung zu bereichern und so schlussendlich politische Entscheidungsprozesse zu verbessern.
Strauss Center, University of Texas - Intelligence Studies Project, Austin, USA.
Das Intelligence Studies Project (ISP) wurde 2013 als gemeinsames Projekt des Clements Center for National Security und des Robert Strauss Center for International Security and Law aus der Überzeugung heraus gegründet, dass die Aktivitäten der U.S. Intelligence Community für die Sicherheitspolitik immer wichtiger werden, aber an (amerikanischen) Universitäten zu wenig untersucht werden. Das ISP baut an der University of Texas in Austin ein führendes Zentrum für das Studium der US-Nachrichtendienste auf, und zwar durch eine Vielzahl von Programmen, einschließlich neuer Kursangebote und Forschungsprojekte sowie regelmäßiger Konferenzen und anderer öffentlicher Veranstaltungen zu nachrichtendienstlichen Themen.
Hudson Institute - Intelligence, National Security, “Promoting American leadership and global engagement for a secure, free, and prosperous future”, Gegründet 1961 von Herman Kahn, fördert und finanziert Forschung in Fragen der Nationalen Sicherheit, auch Intelligence, Washington, USA
Wilson Center - Intelligence, Washington D.C., USA
Das Woodrow Wilson International Center for Scholars (oder Wilson Center) in Washington, D.C. ist ein unabhängiges Forschungszentrum, das 1968 durch ein Gesetz des Kongresses gegründet wurde. Es gehört zur Smithsonian Institution, Organisiert Veranstaltungen und fördert Studien zum Themenbereich Intelligence Studies.
Canadian Association of Security and Intelligence Studies (CASIS), Vancouver
Forschungsvereinigung, Interessenvertretung Intelligence Studies an kanadischen Universitäten. Die CASIS ist eine unparteiische, freiwillige Organisation, die 1985 gegründet wurde. Ihr Ziel ist es, in Kanada eine fundierte Debatte über Sicherheits- und Geheimdienstfragen zu führen. Die Mitgliedschaft ist offen und umfasst derzeit Akademiker, Regierungsbeamte, Journalisten, Anwälte, ehemalige Nachrichtendienstmitarbeiter, Studenten und interessierte Bürger, die sich mit dem Thema Nachrichtendienste befassen.
Die heutigen Ziele von CASIS beinhalten:
Förderung des Studiums der Nachrichtendienste und der Sicherheit sowie des Lehrangebots an kanadischen Universitäten und Fachhochschulen in diesen Bereichen.
Förderung der Forschung im Bereich Nachrichtendienste und Sicherheit im Interesse der Hochschulbildung, der Wissenschaft und einer informierten öffentlichen Meinung.
Bereitstellung eines interdisziplinären Forums, in dem sich interessierte Akademiker und andere interessierte Personen mit nachrichtendienstlichen und sicherheitspolitischen Fragen befassen können.
Bereitstellung von Fachwissen für die interessierte Öffentlichkeit, um das Bewusstsein und das Verständnis für nachrichtendienstliche und sicherheitspolitische Aktivitäten in verschiedenen Bereichen, Disziplinen und Organisationen zu fördern.
Centre for Security, Intelligence and Defence Studies (CSIDS) in der Norman Paterson School of International Affairs (NPSIA), Carleton University, Ottawa, Canada. Forschungszentrum/ Interessensvertretung Die Aufgabe des Zentrums besteht darin, die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor, zivilgesellschaftlichen Gruppen, den Medien und der Öffentlichkeit zu verbessern, um eine sachkundige Debatte und einen Dialog über die kanadische Sicherheit, die Nachrichtendienste und die Verteidigung zu fördern.
CBS News - Intelligence Matters, wöchentlicher Podcast von Michael Morell, über nationale Sicherheit und Politik, moderiert vom ehemaligen CIA-Direktor und CBS News-Mitarbeiter für nationale Sicherheit Michael Morell. Jede Woche können die Hörer Gespräche zwischen Morell und einigen der weltweit führenden Geheimdienst- und nationalen Sicherheitsbeamten und -experten anhören.