Space Race, Space Superiority und deutsche Sicherheit

Die Dimension des Weltraums für militärische Aufklärung und Nachrichtendienste


Die folgende Fassung des Papers enthält keine Fußnoten. Die vollständige Fassung können Sie über das PDF abrufen

Oberstleutnant i.G. Holger Lehmann

Die Vom 7. bis 10. April 2025 fand in Colorado Spings das 40. Space Symposium statt, an dem unser Mitglied, Oberstleutnant i.G. Holger Lehmann teilnehmen konnte. Mehr als 11.000 Fachleute und Besucher aus überwiegend westlich geprägten Staaten fanden sich im prestigeträchtigen Broadmoor Hotel zur wohl weltweit größten Messe und Konferenz mit Weltraumbezug zusammen. Hier wurden nicht nur hochkarätige Reden gehalten, sondern auch bi- und multilaterale Abstimmungen getroffen, um die nächsten Schritte im sogenannten Space Race – dem Rennen um die Vorherrschaft im Weltraum – zu koordinieren.

Eindrücke und Schlussfolgerungen aus dieser Konferenz stellt uns Herr Lehmann dankenswerterweise nachstehend zur Verfügung:

Das in Fachmedien wie Fachpolitik vielzitierte „Space Race“ wird hauptsächlich durch die Vereinigten Staaten von Amerika, die Volksrepublik China und die Russische Föderation dominiert und hat empfindliche Auswirkungen auf die internationale Sicherheit. Ein gefährlicher Trend, der als solcher auch in Deutschland, NATO und EU erkannt wurde.

In diesem Zusammenhang hebt die erste bundesdeutsche Sicherheitsstrategie die Bedeutung des Weltraums sowie damit verbundener Fähigkeiten und Einrichtungen als kritische Infrastruktur hervor und betont, dass der Weltraum nicht nur für die nationale Sicherheit, sondern auch für wirtschaftliche und technologische Entwicklungen essenziell ist. Deutschland sieht sich dabei vor allem in der Verantwortung, seine weltraumgestützten Systeme zu schützen und die Resilienz gegenüber Bedrohungen wie Cyberangriffen, Weltraumschrott und Antisatellitenwaffen zu stärken.

Um diese Ziele zu erreichen, setzt Deutschland weiter auf die Förderung der europäischen Zusammenarbeit, insbesondere durch eine enge Kooperation mit der European Space Agency (ESA) und anderen internationalen Partnern. Absicht ist es, gemeinsame Sicherheitsstandards zu entwickeln und eine friedliche Nutzung des Weltraums zu gewährleisten. Gleichzeitig strebt Deutschland an, innovative Technologien zu fördern, die Abhängigkeit von ausländischen Systemen zu reduzieren sowie die eigene strategische Autonomie unter anderem durch die Entwicklung von Back-up-Systemen und die Diversifizierung weltraumgestützter Systeme zu stärken.

Für Sicherheitsbehörden ergeben sich hieraus bedeutende Konsequenzen. Insbesondere für Nachrichtendienste und militärische Operationen spielen Weltraumfähigkeiten mittlerweile eine entscheidende, fast schon unverzichtbare Rolle in Anwendungsbereichen der Kommunikation, Navigation und abbildenden Aufklärung. Eine Abhängigkeit, die mit zunehmender Digitalisierung sowie der Notwendigkeit, globale Bedrohungen möglichst in Echtzeit zu überwachen, wächst. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat hier die vitale auch taktisch-operative Bedeutung weltraumgestützter Beobachtungs- und Frühwarnfähigkeiten für Streitkräfte wie Zivilbevölkerung in besonders eindrucksvoller Weise demonstriert. Dies betrifft Führungsfähigkeiten ebenso wie das Vermögen zur frühzeitigen Wahrnehmung von Indications und Warnings. Schließlich ist das Nachrichtenwesen vor allem dann besonders wertvoll, wenn es zu besseren Entscheidungen und Handlungen führt. (“Intelligence is only valuable if it leads to better decisions and actions.”). Echtzeitnahe Lagebilder, die Koordination immer komplexer werdender militärischer Operationen, aber auch globale Kommunikationsfähigkeiten bieten eigenen Kräften zwar einen entscheidenden Vorteil, stellen gleichzeitig jedoch auch eine ebenso große Schwachstelle gegenüber feindlich gesinnten Akteuren dar. Um im militärischen, wirtschaftlichen und politischen Ringen dauerhaft siegfähig zu sein, sind hoch technologisierte Streitkräfte, Behörden und Unternehmen auf Satelliten angewiesen, um Lagebilder zu erstellen, schnell und direkt kommunizieren zu können oder komplexe Operationen zu koordinieren. Informations- und Kommunikationsüberlegenheit waren, sind und werden immer von existenziellem Mehrwert für die eigene Operationsführung sein, ganz gleich in welchem Ressort und Anwendungsfeld.

Dies verdeutlichte auf dem 40. Space Symposium dann auch General Stephen Whiting, Befehlshaber des US Space Commands, als er von der herausgehobenen Bedeutung von „Space Superiority“ sprach und zu ihrer Erlangung nicht länger den Einsatz von Waffensystemen im Weltraum ausschloss. Selbstredend im Sinne des Weltraumvertrags von 1967, der den Einsatz von Massenvernichtungswaffen im Weltraum verbietet. Space Superiority, so Whiting, ist Grundvoraussetzung jeglichen Erfolgs auf dem Gefechtsfeld. Denn “to control the ultimate high ground is critical to superiority in all other domains.” Was Whiting vor allem für den militärischen Anwendungsbereich formulierte, gilt so auch für nachrichtendienstliche Fähigkeiten.

Dieser technologische Vorteil ruft gleichermaßen Nachahmer und Widersacher auf den Plan, die ihrerseits nationale Sicherheitsinteressen gefährdet sehen oder sie zu forcieren suchen. Mit der Folge, dass sich die Welt bereits inmitten eines orbitalen Wettrüstens unklaren Ausgangs befindet. So führt die zunehmende Rivalität im Weltraum konsequenterweise auch zur (Weiter-)Entwicklung von Counterspace-Technologien zur (Zer-)Störung von Satelliten und anderer Weltraumfähigkeiten. Hervorzuheben sind dabei China und Russland. Im Rahmen elektronischer Kriegführung setzte Russland im Ukrainekrieg mit „Tobol“ und „Kalinka“ bereits erfolgreich Systeme zur Störung von Satellitenkommunikation und GPS-Signalen ein. Neben erfolgreichen Tests kinetischer Antisatellitenwaffen investieren beide Länder zudem in nichtkinetische Fähigkeiten wie Laserwaffen zum Blenden optischer Sensoren, in elektromagnetische Waffen zur Störung elektronischer Systeme, Cyberoperationen gegen Satelliten und Bodenstationen sowie in Satelliten zur Annäherung an andere Satelliten, um diese auszuspionieren oder potenziell zu sabotieren.

Derartige Entwicklungen unterstreichen die sicherheitspolitische Herausforderung des Schutzes von Satelliten sowie anderer Weltraumfähigkeiten.

Während die USA ihre Führungsrolle im Weltraum durch umfangreiche Investitionen und internationale Kooperation zu festigen versuchen, verfolgt China eine aggressive Expansionsstrategie, die sowohl technologische Innovation als auch militärische Anwendungen umfasst. Unter anderem durch massive Investitionen in seine Raumfahrtprogramme, inklusive geplanter bemannter Mondmissionen, Satelliten und Antisatelliten-Technologien. Russland hingegen setzt auf bewährte Technologien und strategische Partnerschaften, um seine Position im Weltraum zu behaupten. Seinen Weltraumambitionen steht es trotz Kriegs in der Ukraine in nichts nach. Dabei baut es auf seine jahrzehntelangen Erfahrungen, seine militärischen Weltraumfähigkeiten und prüft Berichten zufolge zudem die Stationierung von Atomwaffen im Weltraum und damit einen aktiven Bruch des Weltraumvertrags von 1967.

Gegenwärtig führen die USA das Feld im Space Race qualitativ und quantitativ noch an. Mit der Space Force aber auch der Zusammenarbeit mit SpaceX, Blue Origin und zahlreichen an deren privaten Unternehmen setzen sie alles daran, die Nase im Rennen um Space Superiority auch weiterhin vorn zu behalten. Auf russische und chinesische Counterspace-Fähigkeiten reagieren die USA mit einer Strategie der „Competitive Endurance“, um Überraschungsangriffe zu vermeiden und gegnerische Weltraumfähigkeiten zu neutralisieren. Dabei setzen sie verstärkt auf internationale Kooperation mit verbündeten Staaten wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien, um gemeinsame Verteidigungsstrategien zu entwickeln und die westliche Resilienz zu steigern. Hierzu riefen sie 2013 die „Operation Olympic Defender“ (OOD) ins Leben, um militärische Weltraumfähigkeiten zu integrieren, Bedrohungen abzuschrecken und Space Superiority zu sichern. Später wurde OOD für Verbündete geöffnet und zählt seit dem 11. Oktober 2024 auch Deutschland zu ihren Mitgliedern. Durch eine enge Zusammenarbeit soll gleichzeitig ein gemeinsames Weltraumlagebild generiert, die militärische Nutzung des Weltraums gesichert und dadurch ein deutliches Zeichen der Abschreckung gegenüber aggressiven Weltraumakteuren gesetzt werden.

Ähnlich verhält es sich mit der „Combined Space Operations Initiative“ (CSpO). Einer 2014 gegründeten und mittlerweile zehn Mitglieder umfassenden Initiative, die sich nicht nur auf Bedrohungsabwehr konzentriert, sondern sich umfassender der gemeinsamen Nutzung und Koordination des Weltraums für militärische und sicherheitspolitische Zwecke verschreibt. Deutschland, seit 2019 Teil der Initiative, arbeitet darin aktiv an der Vision 2031 – einem strategischen Dokument, welches die langfristige Zusammenarbeit im Weltraum koordinieren, die Interoperabilität zwischen den Partnern verbessern und die Resilienz gegenüber Bedrohungen stärken soll.

Neben den großen Weltraumnationen spielt auch Deutschland eine zunehmend wichtigere Rolle in der europäischen und internationalen Weltraumpolitik. Die nationale Sicherheitsstrategie, die nationale Raumfahrtstrategie sowie die (multi-)nationale Entwicklung von Weltraumtechnologien und Sicherheitsstrategien sind dabei zentrale Elemente zur Stärkung der Resilienz und der Gewährleistung einer friedlichen Nutzung des Weltraums.

Die Bundeswehr baut ihre Weltraumfähigkeiten im Rahmen einer Multi-Orbit-Gesamtarchitektur sukzessive weiter aus und entwickelt gemeinsam mit NATO- und anderen Partnern im Rahmen von CSpO und OOD eine gemeinsame Weltraumverteidigungsstrategie sowie Konzepte zum Schutz kritischer (Weltraum-)Infrastruktur. Darüber hinaus gehört Deutschland zu den größten Beitragszahlern der European Space Agency (ESA) und investiert stark in Forschung und Entwicklung. Auch die neue Bundesregierung hat die Bedeutung der Raumfahrt erkannt und ihr im Koalitionsvertrag ein eigenes Unterkapitel gewidmet. Darin stellt sie eine Intensivierung der eigenen nationalen und europäischen Bemühungen im Ausbau von Weltraumfähigkeiten in Aussicht. Um Deutschlands strategische Souveränität und Resilienz im Weltraum zu stärken, wird schon seit Jahren zunehmend in private Raumfahrtunternehmen und Technologien investiert.

Für verteidigungs- und sicherheitspolitische sowie nachrichtendienstliche Zwecke setzt die Bundesrepublik Deutschland bereits eine Vielzahl weltraumgestützter Systeme ein. So beispielsweise für Satellitenkommunikation (u.a. SATCOMBw), bildgebende Aufklärung (SAR-Lupe, SARah, TerraSAR-X, TanDEM-X oder Helios 2 zusammen mit Frankreich, GEORG als Satellitensystem des BND) sowie Weltraumüberwachung und Orbit-Analyse.

Die enormen Entwicklungs- und Beschaffungskosten sowie die quantitativ geringe Verfügbarkeit solcher Systeme machen sie jedoch besonders anfällig für Störungen und Angriffe. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, setzt Deutschland auf fortschrittliche Cyberabwehr und Verschlüsselungstechnologien, die dazu beitragen, Satellitenkommunikation zu schützen. Darüber hinaus erhöhen manövrierfähige Satelliten, die sich potenziellen Bedrohungen entziehen können, aber auch Backup-Systeme und alternative Kommunikationswege die Resilienz gegenüber Angriffen.

Quantität und Kosten machen Weltraumfähigkeiten jedoch zu einer seltenen Hochwertressource, derer es in der nahen Zukunft zwingend mehr bedarf, um die empfundene Tempo-30-Zone im Rennen um Space Superiority zu verlassen. Nationale und internationale Kooperation, wie sie BND und Bundeswehr bereits mit NATO, ESA und anderen Diensten praktizieren, um Daten auszutauschen und gemeinsame Sicherheitsstrategien zu entwickeln, sind dabei eine Möglichkeit zur Mitigation nationaler Fähigkeitslücken und kapazitiver Engpässe. Sie ist sowohl vielversprechend als auch herausfordernd.

Während internationale Kooperationen wie OOD und CSpO zeigen, dass Länder ihre Ressourcen durchaus bündeln können, herrschen insbesondere bei Weltraumfähigkeiten als Bereich nationaler Sicherheitsinteressen und strategischer Kontrolle noch zu viele nationale Vorbehalte.

Viele Staaten betrachten ihre Weltraumfähigkeiten nach wie vor als kritische Infrastruktur und nationale Schlüsseltechnologie. Aus Gründen der nationalen Sicherheit sind sie daher bei der Weitergabe sensibler Technologien aber auch ihrer entsprechenden Produkte deshalb noch zurückhaltend. Der Wettbewerb und die zunehmende Kommerzialisierung durch nicht-staatliche Unternehmen treiben zwar die Innovationen voran, jedoch sind ihre Geschäftsmodelle nicht auf multinationale staatliche Kooperation ausgelegt. Wissenschaftliche Kooperationen und gemeinsame Missionen, wie etwa zwischen NASA, ESA und JAXA, zeigen jedoch, dass technologische Weitergabe durchaus möglich ist und gelingen kann. Die zukünftige Zusammenarbeit hängt demnach auch davon ab, wie gut Länder ihre nationalen Sicherheitsinteressen mit globalen Sicherheits- und Forschungszielen sowie Kooperationsnotwendigkeiten in Einklang bringen können. Ebenso wichtig ist, wie gut es ihnen dabei gelingt, regulatorische Unterschiede (Vorschriften und Gesetze) durch gemeinsame Standards zu überwinden.

Dies zeigt sich unter anderem in der Weitergabe von Produkten, die durch Weltraumfähigkeiten entstanden sind, wie beispielsweise elektrooptische Aufklärungsdaten, zwischen Behörden und Nationen. Es erweist sich seit jeher als ein komplexes Thema, welches von Sicherheitsinteressen, internationalen Abkommen und technologischen Standards beeinflusst wird. Innerhalb eines Landes gibt es zumeist klare Regeln zur Nutzung und Weitergabe derartiger Daten zwischen Militär, Nachrichtendiensten und zivilen Behörden. Zwischen verbündeten Staaten gibt es zudem Mechanismen zur gemeinsamen Nutzung von Aufklärungsdaten, etwa im Rahmen von NATO, EU und bilateraler Abkommen. Dennoch erweisen sich nationale Sicherheitsinteressen, unterschiedlich strikte Datenschutzbestimmungen und technologische Inkompatibilitäten im Alltag noch als Hürden, die das Rennen um die Space Superiority gegenüber autark agierenden Gegenspielern wie China und Russland verlangsamen.

Die gleichwohl nationalen und multinationalen Herausforderungen im Space Race sind demnach vielschichtig und komplex. Eine rein nationale Lösung ist wegen der hohen Kosten, Sicherheitsrisiken sowie verhältnismäßig günstiger Störungsmöglichkeiten kein ernstzunehmender Ansatz im Rennen um die Space Superiority. Dies haben auch die USA erkannt und seitdem multinationale Initiativen wie OOD und CSpO forciert. Deutschland ist von diesem Space Race gleichermaßen betroffen und steht nunmehr in der Pflicht, Fahrt aufzunehmen.

Dabei kommt es fortan auf strategische Weitsicht, kluge Investitionen und entschlossenes politisches Handeln an, um gegenüber anderen Staaten nicht ins orbitale Hintertreffen zu geraten. Die richtigen Ansätze existieren bereits. Sie zu vertiefen und festigen ist nun Aufgabe der neuen Bundesregierung.

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Impulse aus nationaler und internationaler Praxis für integrierte Lagearbeit und Entscheidungsfindung

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„Strategische Überraschung“ und die neue Sicherheitsarchitektur des Bundes