Rede von BND-Präsident Dr. Bruno Kahl

bei der Trauerfeier für Dr. Hans-Georg Wieck
am 6. Juni 2024 in Berlin


Sehr geehrte Familie Wieck, sehr geehrte Trauergemeinde!

Mit Dr. Hans-Georg Wieck verliert der Bundesnachrichtendienst einen früheren Präsidenten, dessen professionelle Expertise und persönliche Integrität auch 34 Jahrenach seinem Ausscheiden aus dem Amt im Dienst als beeindruckend und beispielgebend erinnert wird.

Sein ebenso umsichtiges wie souveränes Wirken an der Spitze des BND hat in der Belegschaft einen tiefen Eindruck hinterlassen, der auch heute noch, nicht nur für mich als einen seiner Nachfolger, gleichsam mit Händen zu greifen ist. Er hatte eine Aura, die auch posthum nachhallt.

Das lag sicher an seiner beachtlichen Karriere in der deutschen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die er schon absolviert hatte, als er im Herbst 1985 zum Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes berufen wurde.

Dazu gehörte sicher auch Mut, aus der eher komfortablen Situation des auswärtigen Dienstes herauszutreten zu einer Behörde, die nicht immer nur gut beleumundet war und an deren Spitze es bisweilen stürmisch und ungemütlich werden kann.

Als krisenerprobter Diplomat und Politstratege war Hans-Georg Wieck bestens dafür gerüstet, die Zeit des Umbruchs im Osten Europas – die faktisch zum Ende der DDR und des Ostblocks führen sollte – nachrichtendienstlich hoch aufmerksam und akribisch zu begleiten.

BND-Präsident Dr. Wieck bewies besonderes Fingerspitzengefühl bei der komplexen und verantwortungsvollen Aufgabe, die öffentlichen Bekundungen und tatsächlichen Absichten der politischen Akteure in West wie Ost richtig einzuordnen – und der Bundesregierung damit eine solide Entscheidungsgrundlage für ihr eigenes Handeln zu liefern.

Während seiner fünfjährigen Amtszeit als BND-Präsident verschaffte er den Erkenntnissen des deutschen Auslandsnachrichtendienstes parteiübergreifend Gehör und Anerkennung, genoss er bei seinen tausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hohes Ansehen und größten Respekt, mehrte er das Renommee des BND bei seinen zahlreichen internationalen Partnern.

Am Tag der Deutschen Einheit 1990 übergab Dr. Wieck seine Amtsgeschäfte in die Hände seines Nachfolgers Konrad Porzner – und wurde anschließend bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand drei Jahre später Deutscher Botschafter in Indien.

Die drei verbleibenden Lebensjahrzehnte, die er noch vor sich haben sollte, waren von einem breiten und vielfältigen gesellschaftspolitischen Engagement geprägt. So hat sich Herr Dr. Wieck mit großer Überzeugungskraft und bewundernswerter Bescheidenheit für die Interessen der deutschen Nachrichtendienste und ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit eingesetzt: Bis ins hohe Alter besuchte er als Lehrbeauftragter der Europa-Universität Viadrina mit Studierenden seine alte Wirkungsstätte, um Akademiker und Nachrichtendienstler miteinander ins Gespräch zu bringen.

Dr. Hans-Georg Wieck war unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BND als bestens vernetzter Sicherheitsexperte und ebenso seriöser wie freundlicher Chef hoch anerkannt.

Ich habe in den letzten Tagen mit älteren Mitarbeitern gesprochen, die teilweise sehr eng, in seinem Stab, mit ihm zusammengearbeitet haben – und die nachgerade ins Schwärmen geraten sind: klarer Führungsstil, deutliche Ansagen, Lob wie Kritik, aber nach Benennung von Fehlern auch nicht mehr nachtragend, klassischer alter und doch sehr moderner Führungsstil.

Ich habe im neuen Hauptquartier des BND, in der Zentrale, einen Raum der Stille einrichten lassen – früher, in weniger säkularisierten Zeiten, hätte man vielleicht gesagt: eine Kapelle. Jedenfalls ist dort Raum und Gelegenheit, der Toten des BND zu gedenken und sich zu erinnern.

Im Gegensatz zu vielen Hauptquartieren anderer Dienste gibt es Gott sei Dank noch keine im Dienst gefallenen Mitarbeiter des BND, derer dort gedacht wird. So fügt es sich, dass das dort ausliegende Kondolenzbuch mit den Ehrbezeugungen für Dr. Hans-Georg Wieck beginnen kann.

Dr. Hans-Georg Wieck hat sich um den Bundesnachrichtendienst und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in ausgezeichneter Weise verdient gemacht.

Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

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Intelligence Studies - Zur Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Perspektive auf Nachrichtendienste

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In Memoriam Dr. Hans Georg Wieck