Operation Saareema

Zum Umgang mit Nachrichtendiensten und ihren Erkenntnissen


Die folgende Fassung des Papers enthält keine Fußnoten. Die vollständige Fassung können Sie über das PDF abrufen

Dr. Gerhard Conrad

Die mediale Berichterstattung zur BND-Operation Saareema und ihren mutmaßlichen Ergebnissen gibt Anlass zu einigen kritischen Anmerkungen:

Grundsätzlich sei vorab festgestellt, dass die öffentliche Erörterung einer BND-Operation im Ausland auch nach vermeintlicher fünfjähriger „Schonfrist“ weder außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland noch einem innenpolitisch oder gar epidemiologisch relevanten Erkenntnisgewinn zur Herkunft des SARS-Virus dienen kann.

Die geographische Herkunft des Virus aus China ist seit Jahren unstrittig ebenso wie die sich hieraus ergebende Verantwortung der Volksrepublik China gegenüber der Weltgemeinschaft. Dass bis heute hier vielfach gemauert worden ist, spricht für sich, ebenso wie der anfängliche vergebliche Versuch, das Malheur zu leugnen oder unter der Decke zu halten, der vielen Menschen in China und weltweit Gesundheit und Leben gekostet hat. Hierzu ist fast alles gesagt und geschrieben worden, ebenso wie zum Umgang mit der Pandemie durch die Behörden und Regierungen der betroffenen Länder.

Eine mögliche belastbare Erkenntnis zur konkreten Herkunft des Virus ist letztlich nur von potentiell außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung, wenn es darum gehen soll, Verantwortlichkeiten festzustellen und gegebenenfalls Konsequenzen hieraus im Umgang mit Ländern und Regierungen zu ziehen. Dies obliegt der Verantwortung der Bundesregierung, die ihrerseits angesichts der Machtverhältnisse sicherlich gut beraten sein wird, hier vorab mit vertrauenswürdigen und kompetenten Partnern eine gemeinsame Informationsbasis und Handlungsgrundlage zu schaffen, auf deren Basis ein koordiniertes Vorgehen verabredet werden könnte. Hierzu gibt es bereits auf der Ebene der Nachrichtendienste etablierte, bei professioneller und umsichtiger Nutzung auch belastbare Beziehungen. Sollte der in der Medienberichterstattung erweckte Eindruck zutreffen, dass es dem BND erst Ende 2024 von seiner Aufsichtsbehörde gestattet worden sei, auf befreundete Dienste zuzugehen, wäre dies ein mehr als erklärungsbedürftiger Vorgang. Es ist spätestens seit den Vorgängen um das russische Nervengift Nowitschok in Salisbury (2018) und München (2020) öffentlich bekannt, dass einige westliche Dienste über hervorragende wissenschaftliche Expertise ebenso verfügen wie über Erkenntnisse zu geheimen Aktivitäten problematischer internationaler Akteure im Bereich der Forschung zu Massenvernichtungswaffen. Erprobte vertrauliche Kooperations- und Vertrauensbeziehungen bestehen hier seit den Zeiten des Kalten Kriegs, die, stets mit der gebotenen operativ-sicherheitlichen Vorsicht zum Schutz der eigenen Quellen, hätten genutzt werden können und sollen.

Klar sollte allerdings auch sein, dass sich ein Weg in die offene Wissenschaft allein schon aus offenkundigen Geheimschutzbedürfnissen verboten hätte. Das hat nichts mit „Geheimniskrämerei“ zu tun, sondern mit elementaren Geboten des Quellenschutzes und der grundsätzlichen Geheimhaltung operativer Aktivitäten, die sich gegen die Geheimhaltungsinteressen eines anderen Landes, in diesem Fall also Chinas, richten. Spionage ist ein außen- und sicherheitspolitisch heikler Vorgang, der bereits als solcher in der Öffentlichkeit nichts zu suchen hat, da er geeignet ist, bilaterale Beziehungen zu belasten. Das sollte eigentlich jedem bewusst sein, der sich nicht auf eine innenpolitische, öffentlichkeitsorientierte Nabelschau beschränkt. Gerade auch unter diesem grundsätzlichen Aspekt ist der ganze aktuelle Vorgang wenig hilfreich.

Darüber hinaus verdeutlichen die in der Sache ebenso berechtigten wie offensichtlichen Vorbehalte namhafter Wissenschaftler, man könne ohne umfassende Kenntnisse zu Quellen und Herkunft der Materialien keine ausreichend belastbare Bewertung abgeben, die kaum zu überwindenden Hindernisse für eine Beiziehung dieser externen Expertise. Nachrichtendienstliche Quellen- und Herkunftshintergründe im offenen wissenschaftlichen Diskurs sind tabu. Aus diesem Grund existiert ja auch die seit Jahrzehnten anerkannte verfahrensrechtliche Praxis für den Umgang mit nachrichtendienstlichen Erkenntnissen der Dienste vor Gericht. Auch Quellen wollen in der Regel noch eine reelle Chance haben, unter Wahrung von Leib, Leben, Gesundheit und Freiheit weiter zu leben. Journalisten bestehen im Interesse ihrer Profession mit größtem Nachdruck auf dem Schutz ihrer Quellen; wie sollten Nachrichtendienste dies nicht tun, deren Quellen potentiell noch gefährdeter, und deren Methoden und Zugänge noch schutzbedürftiger sein können? Hier wird nicht „Geheimniskrämerei“ betrieben, sondern ein verantwortungsvoller Umgang mit Menschen gepflegt, die im Einzelfall ihr Schicksal in andere Hände gelegt haben. Insoweit sind auch verschleierte und verallgemeinernde öffentliche Hinweise auf die Herkunft und Natur von beschafften Materialien problematisch. Sie sind geeignet, Verfolgungsdruck auf mögliche Quellen zu generieren oder zu erhöhen, natürlich auch auf Menschen, die mit der ganzen Operation nichts zu tun hatten, jedoch als Wissensträger unter Generalverdacht gestellt werden können. Die klassische, durchaus nicht akademisch sondern hart investigativ, wenn nicht inquisitorisch, im betroffenen Land gestellte Frage „Wer war das?!“ kann hier leidvolle Konsequenzen für Beteiligte und Unbeteiligte gleichermaßen haben. Geheimhaltung ist hier nicht nur ein Gebot der Professionalität sondern auch der Humanität.

Die offenbar bei der Erörterung zum Umgang mit den BND-Erkenntnissen im Bundeskanzleramt geäußerte Überzeugung, diese würden vor keinem Gericht Bestand haben können, würde, sofern bestätigt, ebenfalls von einem tiefen Unverständnis im Umgang mit nachrichtendienstlichen Hinweisen und Erkenntnissen sprechen: Natürlich würden diese für sich allein schon aus den genannten Quellenschutzaspekten nicht gerichtsfest sein können. Es sollte sich nach über 20 Jahren Terrorismusbekämpfung auch im Bundeskanzleramt herumgesprochen haben, dass nachrichtendienstliche Erkenntnisse vor Gericht nur in Form von quellenbereinigten Behördengutachten beigezogen werden und als solche nur einen Teil der Sachverhaltsfeststellung sein können. Vor diesem Hintergrund liegt die Annahme nahe, dass „man“ hier lediglich vermeiden wollte, sich mit der misslichen Sache weiter zu befassen. Das Mindeste wäre hier allerdings gewesen, den Dienst mit weiteren Recherchen zu beauftragen, nach Möglichkeit unter Einbeziehung vertrauenswürdiger Partner. Darüber hinaus wären interne (!) Überlegungen anzustellen gewesen, wie man mit einem solchen Befund, sollte er sich weiter erhärten, politisch-operativ umgehen könnte, vorzugsweise im Verbund mit gleichgesinnten Partnern. Würde man hierbei zu der Einschätzung kommen, dass politische Risiken in keinem vernünftigen Verhältnis zu einem anzustrebenden möglichen Ergebnis stünden, könnte es durchaus im pflichtgemäßen Ermessen der Bundesregierung liegen, von weiteren Schritten Abstand zu nehmen und die geheimen, jedoch nicht operablen Erkenntnisse bis auf weiteres unter Verschluss zu halten. Hierin liegt die souveräne Freiheit, aber auch die politische Verantwortung einer Regierung im Umgang mit Geheimdienstinformationen, insbesondere dann, wenn sie keinen unmittelbaren operativen Handlungszwang (z.B. Gefahr im Verzug) begründen. Dies war soweit erkennbar im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen. Ein zeitkritischer Beitrag zur Bewältigung der sich im Jahresverlauf 2020 eigendynamisch und exponentiell weltweit ausbreitenden Pandemie hätte mit Erkenntnissen über ihren konkreten Ursprung (Labor oder Tiermarkt) im Ergebnis nur dann geleistet werden können, wenn sich aus ihnen unmittelbar weitere zweckdienliche wissenschaftliche Schlussfolgerungen über die genaue Beschaffenheit des Virus und seine Bekämpfung hätten ziehen lassen können. Man wird mithin allenfalls die Frage zu stellen haben, ob mit den beschafften Materialien unter diesem Aspekt sachgerecht im Sinne einer breiteren wissenschaftlichen Analyse umgegangen worden ist.

Dass man mit dem BND-Bericht an die Öffentlichkeit hätte gehen sollen oder gar wollen, hätte unter professionellen wie rechtlichen Aspekten jedoch niemand ernstlich fordern können. Dafür war und ist er ausdrücklich nicht gedacht, dafür unterlag und unterliegt er einem rechtlich bindenden Geheimhaltungsgebot. Es sei in diesem Zusammenhang auch noch einmal in Erinnerung gerufen, dass die Einstufung als GEHEIM nach § 4 Abs. 2 Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) geboten ist,

„wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann“.

Dem ist im vorliegenden Fall wohl nichts hinzuzufügen.

Dieser Vorbehalt wird auch im Rahmen der vom PKGr inzwischen geforderten Veröffentlichung „aller vorliegenden Erkenntnisse zum Ursprung der Corona-Pandemie“ zu gelten haben. Insgesamt ist so mit der aktuellen Öffentlichkeit des Vorgangs in der Sache nichts gewonnen, dafür aber potentieller politischer Flurschaden nach innen wie nach außen herbeigeredet worden. Unkontrollierte und vermutlich selektive Leaks an die Medien können jedenfalls kaum der grundsätzlich wichtigen und wünschenswerten Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung zur Darstellung von Erfolgen oder allgemein Arbeitsergebnissen des BND dienen.

Wie so häufig entsteht somit der Eindruck, dass wieder einmal nicht die Arbeit des BND problematisch ist, sondern der Umgang mit ihren Ergebnissen.

Für den Vorstand

Dr. Gerhard Conrad

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Nachrichtendienste und Sicherheitspolitik

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