Klare Worte zu den Nachrichtendiensten

Anmerkungen und Transkript zum Impulsvortrag des Bundeskanzleramts vor DGAP und GKND

am 30. Juni 2023


Die folgende Fassung des Papers enthält keine Fußnoten. Die vollständige Fassung können Sie über das PDF abrufen

Dr. Gerhard Conrad

Am 30. Juni 2023 hielt Frau Dagmar Busch, Abteilungsleiterin im Bundeskanzleramt für die Dienst- und Fachaufsicht über den BND wie für die Koordination der Nachrichtendienste des Bundes, einen Impulsvortrag in einer gemeinsamen Veranstaltung von DGAP und GKND zum Thema „Nachrichtendienste in Zeiten geopolitischer Disruptionen“.

Es kommt nicht oft vor, dass von Seiten der Bundesregierung einmal in größerem Kontext zu den Diensten, hier insbesondere dem Bundesnachrichtendienst, grundsätzlich und öffentlich Stellung genommen wird. Die seltene Gelegenheit wurde so auch von einem eindrucksvollen Teilnehmerkreis wahrgenommen. Sie sollte jedoch auch Anlass und Grund zugleich sein, die Kernaussagen des im Anhang auch als Transkript und Podcast zur Verfügung gestellten Vortrags in einem gesonderten Papier des GKND zusammenzufassen und einem weiteren Kreis zugänglich zu machen.

Der Vortrag beginnt mit einem Leitzitat aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Mai 2020, also der Ära vor der sicherheitspolitischen „Zeitenwende“, mit dem die Sinnstiftung und Wertigkeit von nachrichtendienstlicher Auslandsaufklärung aus verfassungsrechtlicher Sicht etabliert wird:

„Die Versorgung der Bundesregierung mit Informationen für ihre außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen hilft ihr, sich im machtpolitischen Kräftefeld der internationalen Beziehungen zu behaupten, und kann folgenreiche Fehlentscheidungen verhindern. Insoweit geht es mittelbar zugleich um die Bewahrung demokratischer Selbstbestimmung und den Schutz der verfassungsrechtlichen Ordnung – und damit um Verfassungsgüter von hohem Rang“.

Ebenso klar wird auf dieser Grundlage wie auch in Konsequenz der Zeitenwende konstatiert, dass

leistungsfähige Nachrichtendienste … keine Kür mehr (sind), sondern ein Muss für unser Leben in Freiheit und Sicherheit“.

Man stehe am Beginn eines geopolitischen Veränderungsprozesses.

Ein Mentalitätswechsel auch hinsichtlich der Nachrichtendienste werde benötigt. Neben der historisch bedingten ausgeprägten Sensibilität gegenüber möglichen Grenzüberschreitungen durch die Dienste brauche man – und zwar jetzt und möglichst rasch -

„ein starkes öffentliches Bewusstsein dafür, welchen Beitrag die Nachrichtendienste zum Schutz unserer Demokratie leisten“.

Die Kontrolle von Nachrichtendiensten sei in einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit. Sie trage zu einem Legitimationsgewinn der deutschen Dienste bei, letztlich – so sei zu hoffen - auch zu einem Gewinn an Vertrauen. Gleichwohl gelte es jedoch

„immer wieder zu justieren zwischen der notwendigen Kontrollintensität und dem Umstand, dass unsere Dienste zunächst einmal eine Aufgabe von höchster Bedeutung zu erledigen haben. Ohne Aufgabenerfüllung durch befähigte Dienste entfällt letztlich auch der Sinn von Kontrolle“.

Die strenge Beobachtung der Rechtsstaatlichkeit von nachrichtendienstlichem Handeln müsse daher

„mindestens mit ebenso wachem Auge auf die Ressourcen und Fähigkeiten der Dienste blicken“.

Bei allen notwendigen und in Angriff genommenen gesetzgeberischen Konsequenzen aus Koalitionsvertrag und höchstrichterlicher Rechtsprechung in Bezug auf Übermittlungsvorschriften und weiterer Justierung von Befugnissen und Ihrer Kontrolle dürfe man nicht aus den Augen verlieren, dass man es den eigenen internationalen Partnern schuldig sei, nicht nur in Selbstbeschäftigung zu verfallen sondern auch einen substantiellen Beitrag für die Sicherheit zu leisten. Gerade in der Welt der Nachrichtendienste gelte das Prinzip von do ut des.

Die Erwartungshaltung der internationalen Partner in Bezug auf die Nationale Sicherheitsstrategie und ihre Implikationen auch für die Dienste sei extrem hoch gewesen, das habe man bei verschiedenen Besuchen im Ausland immer wieder zu spüren bekommen.

Es sei in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die Nachrichtendienste als Akteure und Instrumente für die nationale Sicherheit ausdrücklich benannt würden, so im Zusammenhang mit Terrorismusbekämpfung, Cybersicherheit und Spionageabwehr, der Bekämpfung hybrider Bedrohungen aber auch in Bezug auf Konsequenzen aus dem Klimawandel.

Der Begriff der integrierten Sicherheit impliziere Verzahnung und Vernetzung, und genau dazu passe die Koordinierungsaufgabe für die Nachrichtendienste, die im Bundeskanzleramt ressortiere. In wöchentlichen Formaten führe man auf Leitungsebene alle Sicherheitsressorts und auch die Behörden zum strategischen Austausch ebenso zusammen wie für abgestimmtes Handeln der drei Nachrichtendienste des Bundes. Die wöchentliche Zusammenkunft diene der gemeinsamen Lagefeststellung und Beurteilung und wirke so bereits auf eine integrierte Sicherheitsverantwortung hin.

Unter dem Dach der Nationalen Sicherheitsstrategie sei man nunmehr aufgerufen, die strategische Zukunft der Nachrichtendienste konkret zu entwerfen und zu gestalten. Die sei Chance und Auftrag zugleich, nicht zuletzt angesichts der Fülle an Handlungsfeldern für die Dienste.

Mit dem Schlüsselbegriff der Wehrhaftigkeit kehre die Nationale Sicherheitsstrategie wieder zum absoluten Primat der Landes- und Bündnisverteidigung zulasten des internationalen Krisenmanagements zurück. Dies schlage sich notwendig in einer engen und umfangreichen Zusammenarbeit zwischen Bundesnachrichtendienst und Bundeswehr nieder. Die Bundeswehr braucht die ND-Fähigkeiten des BND für ihre spezifischen Informationsbedarfe. Auch diese Zusammenarbeit gelte es nun zu stärken.

Im Vortrag wird abschließend der „Kampf um die besten Köpfe“ in eindrücklicher Weise als eine „Mega-Herausforderungfür die Nachrichtendienste hervorgehoben. Demographie, aber auch der grundlegende Wandel von Arbeitswelt und Gesellschaft in Zeiten der globalisierten und jederzeitigen Kommunikation, stellten die notwendigen Vorkehrungen von operativer Sicherheit und Eigensicherung vor bisher nicht gekannte Herausforderungen. Mitarbeiterbindung und Attraktivität seien die neuen Handlungsmaximen, die es ermöglichen sollen, im Wettbewerb um die Talente überhaupt eine Chance zu haben. Man brauche „die Besten der Besten“. Hierbei sei es aber insbesondere auch von großer Bedeutung, Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen, die offen und sensibel für eine analytische Abkehr vom europazentrischen Weltbild der alten Mercator-Karten seien. Immerhin sei Berlin von Peking nur unwesentlich weiter entfernt als Canberra.

Gerade zu einem Zeitpunkt, zu dem die Standardperzeption vom „Versagen des Dienstes“ wieder einmal medial wie politisch Hochkonjunktur hatte, bevor sie am 05. Juli erneut mangels Substanz in sich zusammenbrach, waren diese klaren Aussagen von verantwortlicher Stelle von besonderem Wert und werden es deutlich über den Tag hinaus bleiben.

Einige grundlegende Eckwerte für eine zukunftsorientierte und verantwortungsvolle ND-Policy werden hier unmissverständlich vorgegeben:

  • Die Arbeit der Nachrichtendienste hat einen hohen, verfassungsrechtlich legitimierten Rang.

  • Leistungsfähige Nachrichtendienste sind ein Muss für unser Leben in Freiheit und Sicherheit.

  • Ein Mentalitätswechsel in der Öffentlichkeit hin zum besseren Verständnis der Dienste in ihrer Auftragserfüllung ist erforderlich.

  • Demokratische Kontrolle der Dienste ist essentiell. Sie steht allerdings im notwendigen Zusammenhang mit deren Befähigung zur Auftragserfüllung. Ohne Aufgabenerfüllung durch befähigte Dienste entfällt letztlich auch der Sinn von Kontrolle.

  • Der Reformprozess des ND-Rechts darf nicht zur Selbstbeschäftigung und Vernachläs-sigung der Verpflichtungen gegenüber den Partnern als zusätzliche Sicherheitsgaranten Deutschlands führen.

  • Die Nationale Sicherheitsstrategie enthält Bezüge zu den Diensten und mit dem Kon-zept der integrierten Sicherheit auch einen Ansatzpunkt für den im Rahmen der dienstäglichen ND-Lage bereits praktizierten strategischen Austausch zwischen Sicher-heitsressorts und Behörden.

  • Unter dem Dach der Sicherheitsstrategie wird nunmehr die strategische Zukunft der Nachrichtendienste konkret zu entwerfen und zu gestalten sein.

  • Der Kampf um die besten Köpfe ist eine personalwirtschaftliche „Mega-Herausforderung“ für die Dienste.

Der GKND begrüßt diese Grundlegung einer zukunftsorientierten ND-Policy vor dem Hintergrund seiner kontinuierlichen Bemühungen in diesem Bereich in besonderem Maße. Sie kann als eine auch der öffentlichen Wahrnehmung zugängliche autoritative Festlegung grundsätzlicher Positionen und Zielvorstellungen gewertet werden, anhand derer weitere Schritte definiert und in ihrer Umsetzung auch mitgestaltet und mitverfolgt werden können.

Dies gilt insbesondere auch für das zentrale Vorhaben, unter dem Dach der Sicherheitsstrategie die strategische Zukunft der Nachrichtendienste zu entwerfen und zu gestalten. Hierzu zählt allerdings auch eine bereits auf die unmittelbare Gegenwart zu richtende konkrete Politik, die den Diensten, und hier insbesondere dem Bundesnachrichtendienst, hier und heute die Mittel und Mandate zu einer wirksamen Aufgabenerfüllung zuverlässig und in adäquatem Umfang zur Verfügung stellt. An einem „Kassensturz“ wird hier wohl niemand vorbeikommen. Von besonderer Relevanz, gerade auch für den zwingend erforderlichen Erfolg bei Bewältigung der „Mega-Herausforderung“, ist aber auch eine konsequente und nachhaltige Politik der klaren Worte zum Dienst, um dessen verfassungsrechtliche Legitimität und sicherheitspolitische Relevanz zu einem etablierten Teil öffentlicher Wahrnehmung werden zu lassen. Nur ein in seinen Aufgabenstellungen mehrheitlich gesellschaftlich akzeptierter und wertgeschätzter Dienst wird die politische und damit auch legislative und budgetäre Unterstützung erhalten, die er zur Aufgabenerfüllung in unser aller Interesse zwingend benötigt. Hier stehen Bundesregierung und parlamentarische Gremien gemeinsam in besonderer Weise in der Pflicht.

Der GKND wird diese Prozesse und Entwicklungen auch weiterhin ebenso aufmerksam wie konstruktiv begleiten.

Für den Vorstand

Dr. Gerhard Conrad

 

Auszugsweises Transkript des Impulsvortrags von Frau Dagmar Busch, Abteilungsleiterin Ko-ordination der Nachrichtendienste des Bundes, im Bundeskanzleramt auf der gemeinsamen Veranstaltung von DGAP und GKND am 30.06.2023:

Ich möchte gerne mit einem Zitat beginnen:

„Die Versorgung der Bundesregierung mit Informationen für ihre außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen hilft ihr, sich im machtpolitischen Kräftefeld der internationalen Beziehungen zu behaupten, und kann folgenreiche Fehlentscheidungen verhindern. Insoweit geht es mittelbar zugleich um die Bewahrung demokratischer Selbstbestimmung und den Schutz der verfassungsrechtlichen Ordnung – und damit um Verfassungsgüter von hohem Rang“.

Die Worte stammen nicht von einem Nachrichtedienst-Freak, diese Wort hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung zur Auslands-Auslands-Fernmeldeaufklärung im Mai 2020 formuliert. Karlsruhe hat damit in aller Deutlichkeit geklärt, wofür wir die Nachrichtendienste brauchen. Es besteht ein vitales gesamtstaatliches Interesse an der Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland in der internationalen Staatengemeinschaft und die Dienst tragen dazu bei. Ein Stück weit hat das Bundesverfassungsgericht damit die Zeitenwende mit Blick auf die Nachrichtendienste schon vorweggenommen. Dass dann tatsächlich der skrupellose Versuch unternommen wird, in Europe Grenzen gewaltsam zu verschieben, stellt dennoch eine beispiellose Zäsur dar. Durch den russischen Angriffskrieg steht unser gesamte Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf dem Prüfstand. Wir erleben eine fundamentale Bedrohung von Demokratie, Freiheit und regelbasierter internationale Ordnung. Der Begriff der Zeitenwende begreift diesen Umbruch und legt den Grundstein für die Einleitung von notwendigen Veränderungen. Selbstverständlich beinhaltet Zeitenwende mehr als die verbesserte Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr, auch wenn diese natürlich den Kern und das Wichtigste in dieser Situation ist.

Leistungsfähige Nachrichtendienste sind keine Kür mehr, sondern ein Muss für unser Leben in Freiheit und Sicherheit. Wir stehen weltweit am Beginn eines geopolitischen Veränderungsprozesses. Hinsichtlich der Nachrichtendienste und nicht nur für diese benötigen wir aber auch einen Mentalitätswechsel. Bisher kennen wir in Deutschland eine ausgeprägte und auch historisch aus guten Gründen entstandene Sensibilität dafür, Grenzüberschreitungen durch die Dienste zu verhindern. Wir brauchen daneben aber auch – und ich finde jetzt und möglichst rasch – ein starkes öffentliches Bewusstsein dafür, welchen Beitrag die Nachrichtendienste zum Schutz unserer Demokratie leisten.

Die Kontrolle von Nachrichtendiensten, insbesondere die parlamentarische Kontrolle, ist in einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit. Die Vielschichtigkeit der Kontrolle der deutschen Nachrichtendienste hat daher zweifellos ihre Berechtigung; Nicht zuletzt beschert sie unseren Nachrichtendiensten einen Gewinn an Legitimität und – die Hoffnung bleibt – einen Gewinn an Vertrauen. Gleichwohl gilt es immer wieder zu justieren zwischen der notwendigen Kontrollintensität und dem Umstand, dass unsere Dienste zunächst einmal eine Aufgabe von höchster Bedeutung zu erledigen haben. Ohne Aufgabenerfüllung durch befähigte Dienste entfällt letztlich auch der Sinn von Kontrolle. Dem Bestreben, die Nachrichtendienste demokratisch und rechtlich einzuhegen, müssen wir das Ziel einer optimalen Aufgabenerfüllung komplementär zur Seite stellen. Und ich bin sehr froh, dass auch unsere Kontrolleure das zum Teil auch schon durchaus im Blick haben. … Damit wir uns nicht missverstehen: Ich bin auch keine Anhängerin der These, dass alles besser wäre, wenn es nur die lästigen Kontrollorgane nicht gäbe. Mein Kredo ist vielmehr, dass die strenge Beobachtung der Rechtsstaatlichkeit von nachrichtendienstlichem Handeln mindestens mit ebenso wachsamem Auge auf die Ressourcen und Fähigkeiten der Dienste blicken muss. Da wo die Anzahl und Intensität der Kontrollen anwächst, …, müssen die Dienste auch die Befähigungen und Kapazitäten haben, den Kontrollorganen angemessen zu begegnen. Wenn Sie mir etwas Humor an dieser Stelle erlauben, in Abwandlung eines alten Schlagers, „das bisschen Kontrolle macht sich nicht von allein“.

Auch die anstehenden nachrichtendienstlichen Reformen werden die Intensität der Kontrolle aller Voraussicht nach nicht mildern. Wir arbeiten im Kanzleramt mit Hochdruck an einer Novelle des BND-Gesetzes und sind aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom September letzten Jahres gehalten, die Übermittlungsvorschriften noch im laufenden Jahr zu novellieren. BND-Gesetz und Bundesverfassungsschutzgesetz sind beide betroffen. Daneben ist es aus Sicht des Bundeskanzleramts und mit Blick auf das BND-Gesetz aus unserer Sicht wichtig, Stichwort lessons learned aus dem Verratsfall beim BND dass wir klare und rechtssichere Regelungen zur Eigensicherung schaffen und Anpassungen der Regelungen zum Unabhängigen Kontrollrat vornehmen …

Weitere notwendige Änderungen … die sich aus der Entscheidung des Verfassungsgerichts zum bayerischen Verfassungsschutzgesetz sowie aus dem Koalitionsvertrag ergeben, aber eben nicht so fristgebunden sind wie die Übermittlungsvorschriften, können dann zügig mit einem zweiten Gesetzespakte vorgelegt werden. Die Änderungen sind komplex und rechtlich anspruchsvoll - Dabei dürfen wir einen Aspekt nicht aus den Augen verlieren … wir sind gerade auch in diesen Zeiten unseren internationalen Partnern schuldig, nicht in Selbstbeschäftigung zu verfallen … sondern auch einen substantiellen Beitrag für die Sicherheit zu leisten. Gerade in der Welt der Nachrichtendienste gilt das Prinzip von do ut des. Die operativen ND-Fähigkeiten von Deutsch-land und was sie an nachrichtendienstlichem Mehrwert auch mit anderen teilen können, haben unmittelbare Auswirkungen auf unsere Sicherheit.

A propos internationale Partner: Die Erwartungshaltung für die ursprünglich ja schon für die Münchener Sicherheitskonferenz angekündigte Nationalen Sicherheitsstrategie … war extrem hoch. Damit war ich und auch Kollegen in verschiedenen Gesprächen im Ausland konfrontiert. Jetzt hat das Kabinett sie vorgelegt, die erste Nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland, für alle ein Zeichen, dass es der Bundesregierung ernst ist mit der Befähigung von Sicherheit. Nicht nur der GKND hat hierzu ja dankenswerterweise bereits Stellung genommen.

Ich möchte mich daher hier auf vier wesentliche Gedanken dazu beschränken, die ich für uns heute hier für relevant halte. Erstens die Sicherheitsstrategie benennt ausdrücklich auch die Nachrichtendienste als Akteure und Instrumente für die nationale Sicherheit. Natürlich muss ein strategisches Dokument ein gewisses Abstraktionsniveau wahren, dennoch finden die Dienste an mehreren, vielleicht auch für einige überraschenden Stellen explizit Erwähnung, im Zusammenhang mit Terrorismusbekämpfung und Cybersicherheit, sicher vertraute Themen, bei der Spionageabwehr natürlich auch, der Bekämpfung von hybriden Bedrohungen und auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Da kann man dann auch erst noch einmal kurz drüber nachdenken.

Zweitens: Leitbild der Nationalen Sicherheitsstrategie ist der Begriff der integrierten Sicherheit. Integration meint Verzahnung und Vernetzung, und genau dazu, und das möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal ausdrücklich sagen, passt die Koordinierungsaufgabe für die Nachrichtendienste, die wir im Bundeskanzleramt verantworten, und die wir auch dort ausüben. Wir führen in wöchentlichen Formaten auf Leitungsebene alle Sicherheitsressorts und auch die Behörden zusammen und schaffen damit wertvolle Gelegenheiten für strategischen Austausch und auch für – mindestens so wichtig - abgestimmtes Handeln der drei Nachrichtendienste des Bundes. Das regelmäßige Treffen der Sicherheitsressorts und Behörden im Bundeskanzleramt dient der gemeinsamen Lagefeststellung und -beurteilung, kurzum das Treffen wirkt wöchent-lich bereits auf eine integrierte Sicherheitsverantwortung hin.

Drittens: Die Nationale Sicherheitsstrategie ist eine Dachstrategie, ein Dach, das uns aber nicht nur zum Ausruhen darunter einlädt sondern im Gegenteil: Unter dem Dach der Nationalen Si-cherheitsstrategie sind wir jetzt aufgerufen, die strategische Zukunft der Nachrichtendienste konkret zu entwerfen und zu gestalten. Darin sehe ich auch eine Chance und ein Auftrag. Es mangelt uns auch nicht an Handlungsfeldern für die Nachrichtendienste in Deutschland.

So schließlich viertens: Ein Schlüsselbegriff der Nationalen Sicherheitsstrategie ist die Wehrhaftigkeit. Der Schwerpunkt der Herausforderungen liegt in einem Feld, das wir seit Ende des Kalten Krieges überwunden glaubten. Es geht heute wieder ganz klassisch um die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung. Deutschland muss sich selbst und seine Verbündeten schützen und verteidigen können. Das ist der Kernauftrag mit absoluter Priorität. Auch das internationale Krisenmanagement tritt dahinter zurück. LV/BV schlägt sich nieder in einer engen und umfangreichen Zusammenarbeit zwischen Bundesnachrichtendienst und Bundeswehr. Sie alle wissen, dass der BND auch der Dienst der militärischen Auslandsaufklärung ist, und die Bundeswehr braucht die ND-Fähigkeiten des BND für ihre spezifischen Informationsbedarfe. Auch diese Zusammenarbeit gilt es jetzt zu stärken.

Ich möchte einen letzten Punkt, der mir am Herzen liegt und der mir der Schlüssel auch für (alle) Dinge zu sein scheint … erwähnen. Die Handlungsfelder kumulieren in einer Mega-Herausforderung gerade für die Nachrichtendienste: Das ist der Kampf um die besten Köpfe … Es ist gerade für die Nachrichtendienste eben weit mehr als das schon oft gehörte Schlagwort. Personalgewinnung und Personalentwicklung, eine individuelle Personalentwicklung, ist eine große Herausforderung für die Nachrichtendienste. Wir alle wissen, der demographische Wandel verschärft die Personalnot ohnehin, auch mit Blick auf die neuen Technologien werden die Dienste – und die sind eben spezifisch und nicht vergleichbar mit anderen Verwaltungsbehörden. Wir werden stärker aus dem Mint-Bereich Personen rekrutieren müssen; das ist eine besondere Herausforderung, insbesondere wenn wir in Themenfeldern … wie künstliche Intelli-genz und Quanten-Computing. Wir müssen damit umgehen und uns die Dinge zu eien machen, auch um uns da auch intern besser aufzustellen.

Die Arbeitswelt hat sich sowieso schon fundamental verändert. Sie ist flexibler und globaler, Arbeitszeiten und Orte entgrenzen sich ein Stück weit. Das führt zu Einsparungen von Büro-raum …, nur leider eben nicht [im Sicherheitsbereich]. Das ist ein Wettbewerbsnachteil, unter dem die Nachrichtendienste hier leiden, auch die Abteilung 7 im Bundeskanzleramt. … Wir müssen aus sicherheitlichen Gründen beim Arbeitsort und auch in Fragen der Eigensicherung sehr rigide sein, in Zeiten wie diesen mehr denn je. … [Die notwendigen Einschränkungen im Gebrauch von Mobiltelefonen sind hier ein ernsthaftes Thema bei der Personalgewinnung].

Die Nachrichtendienste investieren aber schon viel Energie, um attraktiver zu werden. Es ist nicht so, dass da nichts stattfindet. Mitarbeiterbindung, aber lieber Attraktivität, sind die neuen Handlungsmaximen, die es den Nachrichtendiensten ermöglichen sollen, im Wettbewerb um die Talente überhaupt eine Chance zu haben. Wir brauchen die Besten der Besten für die Dienste. Ganz persönlich wünsche ich mir vor allem viele Kolleginnen und Kollegen, die offen und sensibel dafür sind, dass es noch andere als die Mercator Weltkarte gibt, Weltkarten, in denen Europa nicht der Mittelpunkt ist, und auf denen man sofort erkennen kann, dass die Entfernung zum Beispiel von Berlin nach Peking gar nicht viel weiter ist als die von Canberra nach Peking.

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Messgrößen für eine systematische und perspektivische ND-Policy