Der Jihadist - das terroristische Gegenüber
Kurzzusammenfassung des Vortrags unseres Mitglieds Berndt Georg Thamm beim Sicherheitspolitischen Stammtisch des GKND am 23. Januar 2025
Die folgende Fassung des Papers enthält keine Fußnoten. Die vollständige Fassung können Sie über das PDF abrufen
Klaus Schmidt, Oberst a.D.
Am 23. Januar 2025 hat sich der GKND mit der Frage des arabischen Islamismus beschäftigt. Als Vortragenden zu dieser komplexen Thematik konnte das Mitglied des GKND Berndt Georg Thamm gewonnen werden, der seit über 50 Jahren ein geschätzter Referent bei Polizei- und Sicherheitsbehörden zu den Themen Rauschgift/Drogenpolitik, Geschichte des Organisierten Verbrechens und Terrorismus ist. Der GKND ist Herrn Thamm dankbar für seine Bereitschaft, die nachstehende Kurzzusammenfassung zur Veröffentlichung auf der Homepage des GKND zur Verfügung zu stellen.
Der Djihad sunnitischer Islamisten ist eine auf lange Zeit angelegte Auseinandersetzung mit dem internationalen Unglauben (al-Kufr al-Amani). Finales Ziel der offen und verdeckt kämpfenden Djihadisten ist die Errichtung eines globalen Kalifats. Für die „Soldaten Gottes“ ist es ein Religionskrieg, ein „Heiliger Krieg“; kämpfen sie doch als Rechtgläubige ihrer Religion gegen Ungläubige (alle Nichtmuslime), die sie wie auch Falschgläubige (z. B. Yesiden), Glaubensabtrünnige (z. B. Schiiten) und Kollaborateure zu den „Feinden des Islam“ zählen. Da gegenüber Ungläubigen grundsätzlich kein Vertrauensverhältnis besteht, darf /muss man sie - unter Verschleierung der eigenen Identität (Verhüllen) - betrügen und belügen (Anwendung der Takiya). Dies betrifft insbesondere Muslime, die in Ländern (des Westens) leben, in denen die Ungläubigen die Mehrheit stellen.
Für alle Feinde gelten keine Schutzfaktoren (weder Religion noch Ethnizität, Nationalität, Geschlecht, Alter, Gesundheits-zustand), was insbesondere auf Juden zutrifft, die eine Sonderstellung unter den Feinden einnehmen. Im Ranking der Djihadisten (Hamas) stehen sie so weit unterhalb des eigenen Selbstbildes, dass sie kein Mitleid mehr auslösen. So waren die exhibitionistischen Grausamkeiten des Simchat-Tora-Massakers (Operation „Al-Aqsa-Flut“) am 7. Oktober 2023 kalkuliert - eine Strategie des Djihad-terrorismus.
Das Konzept für die „Verwaltung der Grausamkeit“ entwickelte schon vor zwanzig Jahren der frühere al-Qaida-Propagandachef Abu Bakr Naji mit seiner Schrift „The Management of Savagery“ (2004/2006). Djihadgeschichte schrieben einst die organisierten großen Geiselnahmen tschetschenischer Islamisten in Russland, so in Krankenhäusern (Budjonnowsk 1995, Kisljar 1996), im Theater (Moskau 2002) oder in einer Schule (Beslan 2004) als auch Märtyrer-Operationen djihadistischer Hitteams in großstädtischen Ballungszentren, in Hotels und Bahnhöfen (Mumbai, November 2008), Einkaufszentren (Nairobi, September 2013), Straßencafés und Konzerthäusern (Paris, November 2015) oder Flughäfen und öffentlichen Nahverkehr (Brüssel, März 2016).
Terrorgeschichte schrieben aber auch Einzeltäter. Für diese „einsamen Wölfe“ (lonely wolves) hatte der Ex-al-Qaida-Kämpfer Abu Mussab al-Suri (Mustafa Setmariam Nasar) ebenfalls vor über zwanzig Jahren ein „Konzept ohne klare Hierarchien“ entworfen. Diesen „Djihad von unten“ beschrieb er in seinem voluminösen Werk „Call to Global Islamic Resistance (CIR)“ 2004. Seine Kampfschrift, mehr Blaupause für einen Bürgerkrieg, gab ungezählten Einzeltätern, daheimgebliebenen IS-Sympathisanten und Syrien-Heimkehrern djihadistische Orientierung. Mit Beginn der „Arabellion“ 2010/11 wurde al-Suris „Djihad der Armen“ durch die „Strategie der Zerstörung durch Jedermann“ (Individueller Djihad) erweitert. Ab 2014 rief der IS weniger zu Anschlägen mit hohem Organisationsgrad, sondern mehr zu „einfachen“ Mordtaten mit einfachsten Tatwerkzeugen auf. Bis heute gehören so das Messer und das Auto zu den Standardwaffen bei Do-it-yourself-Anschlägen.
Für Arabisten (Kepel) ist das Jahr 2015 (Anschläge in Paris) die „Geburtsstunde der dritten Generation der Djihadisten“. Auf diese Anschläge nahm auch ein Anonymus Bezug und stellte noch im selben Jahr ein Handbuch für Glaubenskämpfer (in den Ländern des Westens) in Englisch ins Netz. Dieser „Mujahid Guide“ diente der Vorbereitung für den Djihad (How to survive in the West), um danach in „Ein- oder Zwei-Mann-Unternehmen“ am Djihad teilzunehmen, oder auch Protestkundgebungen in der Öffentlichkeit für die eigenen Zwecke zu beeinflussen.
Keine zehn Jahre später ist genau dieses zu beobachten. Der 7. Oktober, „Israels 9/11“, ist zum Brandbeschleuniger einer neuen Gewaltbewegung geworden. In den Ländern des Westens ist eine islamistische Instrumentalisierung der Palästinenser-Demonstrationen unter dem Deckmantel der Solidarität (from the river to the sea) zu beobachten. Hier skandieren die Islamisten ihr finales Ziel: „Das Kalifat ist die Lösung“. Und der Einzeltäterterrorismus wird mit seinem „Zermürbungsdjihad“ zur Langzeitbedrohung
Klaus Schmidt, Oberst a.D.
Vorsitzender des Vorstands